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Startet Mobile Payment jetzt endlich in Deutschland durch?

In Sachen Mobile Payment war Deutschland lange das gallische Dorf unter den europäischen Ländern. Doch jetzt geht es Schlag auf Schlag: erst kommt GooglePay nach Deutschland, kurze Zeit später launchen die Sparkassen ihr „Mobiles Bezahlen“ und jetzt kündigt Apple auch noch ApplePay in Deutschland für „Later this year“ an. Startet Mobile Payment damit jetzt auch hierzulande durch? Zweifel bleiben.

Der deutsche Payment-Markt ist irgendwie ein undankbarer. Wo neue Bezahlverfahren in anderen Ländern schnell angenommen werden, klebt der Durchschnittsdeutsche an seinem Bargeld wie kein Zweiter. Wenn hierzulande über Mobile Payment berichtet wird, dann in der Regel mit reißerischen Berichten, die zumeist Ängste schüren. Der „Gläserner Bürger“ drohe oder aber Diebesbanden, die mit mobilen Bezahlterminals die nächste Generation des Taschendiebstahls einläuten würden. All diese Berichte und Artikel bedienen die berühmt-berüchtigte „German Angst“ und verhindern die breite Akzeptanz des Bezahlens per Smartphone oder Wearable.

Mittlerweile breites Angebot für Mobile Payment

Und so konnte sich bislang auch noch kein Anbieter wirklich am Markt durchsetzen. Viele frühe Anbieter sind daher auch schon längst wieder aus dem Markt verschwunden. Durchgehalten hatten bis hierher lediglich der Loyalty-Riese Payback, der bei Payback-Pay das mobile Bezahlen als Zusatz-Feature in seine Punktsammel-App gepackt hat. Und ein paar kleinere Fintechs wie Glase (ehem. SEQR) und boon von Wirecard. Entsprechend groß war bisher der WOW-Effekt, wenn man in deutschen Läden via Smartphone bezahlt hat. Ungläubige Blicke des Kassenpersonals waren die Regel – teilweise aber auch unangenehme Diskussionen, weil Unterschriften oder Ausweise verlangt wurden.

Nun aber steht den interessierten Nutzern eine breite Palette von Angeboten etablierter Unternehmen für das Mobile Payment zur Verfügung. Den Anfang machte Ende Juni Google mit seinem Payment-Dienst GooglePay, an dem sich allerdings derzeit nur eine überschaubare Anzahl deutscher Banken beteiligt. Der Dienst steht Nutzern des Android-Betriebssystems offen und benötigt eine Kreditkarte einer teilnehmenden Bank oder Sparkasse. Ende Juli folgten die deutschen Sparkassen mit ihrem eigenen Angebot „Mobiles Bezahlen„. Es läuft – wie GooglePay – ausschließlich auf Android-Smartphones, unterstützt aber die in Deutschland weit verbreitete Girocard (umgangssprachlich „EC-Karte“). Allerdings steht es exklusiv Nutzern mit einem Girokonto einer teilnehmenden Sparkasse offen.

Als sei damit der Startschuss gefallen, kündigte die Tage nun auch der iPhone-Hersteller Apple an, seinen Bezahldienst ApplePay „later this year“ auch in Deutschland zu starten. Damit kämen dann erstmals auch deutsche iPhone-Nutzer ohne Umwege in den Genuss des Mobile Payments per NFC. Da Apple die NFC-Schnittstelle bislang nicht für Drittentwickler freigibt, konnten iPhone-Nutzer nicht auf Apps wie Glase ausweichen.

Der Handel ist technisch auf Mobile Payment vorbereitet

Nun könnte es also losgehen mit dem Mobile Payment in Deutschland. Am Handel zumindest soll es nicht scheitern. Nahezu sämtliche großen Lebensmitteleinzelhändler haben ihre Filialen weitgehend mit NFC-fähigen POS-Terminals ausgestattet. Stolpersteine sind dann in der Regel nur noch vereinzelt geforderte Mindestumsätze für die mobilen Kartenzahlungen, kleinere „Girocard-only“-Einzelhändler sowie einige Branchen mit genereller Kartenphobie (meist aus Gründen der „Steueroptimierung“).

Mittlerweile funktionieren die Terminals auch weitgehend reibungslos und auch das Kassenpersonal in immer besser geschult – auch wenn die überraschten Reaktionen signalisieren, dass Mobile Payment wohl weiterhin kein Massenphänomen ist. Womit wir dann beim wesentlichen Bremser der Entwicklung wären: den Kunden.

Kunden sind weiterhin skeptisch

Bisher dürfte viele natürlich auch das Fehlen bekannter, vertrauenswürdiger Anbieter für Mobile Payment in Deutschland abgehalten haben. Geldangelegenheiten sind immer zuvorderst Vertrauenssache – und einem kleinen Startup, aber auch Payback vertrauen da doch zu wenige. Google, Apple und die Sparkassen genießen da im Zweifel ein deutlich höheres Nutzervertrauen.

Allerdings sind breite Bevölkerungsschichten weiterhin skeptisch. Nicht nur dem Bezahlen mit Smartphone gegenüber, sondern generell dem Thema kontaktloses Bezahlen gegenüber. Fernsehberichte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks schüren teilweise irrationale Ängste und geben teilweise Anleitungen, wie man sich aus Alufolie Schutzhüllen für seine kontaktlosen Karten bauen kann. BILD-Zeitung und andere große Print- und Onlinemedien griffen diese Ängste ebenfalls auf und verstärkten sie mit Berichten darüber, wie angeblich organisierte Diebesbanden mit mobilen Bezahlterminals arglose Menschen unbemerkt ausrauben könnten.

In Fachmedien stellten zwar Experten klar, dass das so gar nicht funktionieren kann, aber deren Reichweite ist nun mal deutlich geringer als die von BILD und ÖR. Daher sind viele Bankkunden verunsichert und wollen bei ihren Karten gar keine Kontaktlos-Funktion.

Überhaupt nutzen Deutsche verhältnismäßig selten Karten am POS – und falls doch, dann nur für größere Beträge. Wer schon einmal eine Tüte Milch für 65 Cent per Karte bezahlt hat, wird sich an entrüstete Reaktionen oder Lästereien anderer Kunden erinnern. Mindestens aber an Kopfschütteln. Wenn nicht ohnehin der geforderte Mindestumsatz dem einen Riegel vorgeschoben hat.

Mobile Payment braucht noch Zeit

Daher ist der Marktstart von GooglePay, Mobilem Bezahlen und ApplePay zwar die notwendige Voraussetzung für den Siegeszug von Mobile Payment in Deutschland, aber längst eine hinreichende. Es wird noch eine ganze Zeit dauern, bis der Durchschnittsdeutsche hier in der Gegenwart ankommt. Diffuse Ängste vor Kontrollverlust, Überwachung und mobilem Taschendiebstahl werden eben nicht durch technische Lösungen genommen, sondern durch positive Erfahrungen und Gewöhnung.

Und durch handfeste Mehrwerte. Diese sind aber durchaus noch überschaubar. Immerhin: zum Einkaufen braucht man sein Portemonnaie nicht mehr mitnehmen. Das hat mich schon das ein oder andere Mal echt gerettet, so dass ich es nicht mehr missen will. Für viele reicht das aber offenbar nicht aus.

Interessant zu beobachten war z.B. auf dem Hurricane Festival 2018, wie wenig Deutsche selbst auf handfeste Mehrwerte reagieren. MasterCard hatte als Sponsor des Festivals an Getränkeständen, Essensbuden und selbst an Riesenrad und Riesenrutsche jeweils 1 Euro Rabatt je Getränk oder Mahlzeit geboten, wenn man mit seiner MasterCard bezahlt hat. Dennoch konnte ich damals kaum jemanden ausmachen, der dieses Angebot genutzt hätte. Stattdessen standen die Menschen Schlange vor den vielen mobilen Geldautomaten, um damit dann bar zu bezahlen.

Bleibt also nur, geduldig zu sein und als Early Adopter regelmäßig und nachhaltig als gutes Vorbild zu dienen. Je gewöhnlicher Mobile Payment im individuellen Erleben wird, desto eher werden es auch Nicht-Nerds ausprobieren. Gut Ding will Weile haben.

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