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3 Chancen und Risiken der Real Estate Tokenisierung

Bereits im März 2019 hat das deutsche Blockchain-Startup Brickblock die erste Blockchain-basierte Immobilientransaktion in Deutschland abgeschlossen. Ein Meilenstein, der sowohl viele Fragen aufwirft, als auch spannende, sich hieraus ergebende, Möglichkeiten aufzeigt.

Wird es für Kleinanleger*innen bald üblich sein, Eigentumsrechte realer Vermögenswerte (wie beispielsweise Immobilien) rein digital mittels sogenannter „Token“ (englisch für „Wertmarke“) zu erwerben?

Wenn wir sowohl den zahlreichen Analysen und Studien des Weltwirtschaftsforums (WEF), als auch der PwC Studie „Time for Trust“ vom 04.11.2020 Glauben schenken wollen, dann steht der Blockchain Technologie durchaus eine blühende Zukunft bevor.

Steigerung des globalen BIP um 1,76 Billionen US-Dollar

Die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) prognostiziert der Blockchain Technologie in ihrer Studie „Time for Trust“ das Potenzial, die weltweite Wirtschaftsleistung bis 2030 um 1,76 Billionen US-Dollar zu steigern – was einem Anteil von 1,4 Prozent des globalen BIP entsprechen würde.

Besonders in den letzten Monaten kommt einem bestimmten Thema eine immer größer werdende Bedeutung zu – und zwar der sogenannten „Real Estate Tokenisierung“ oder auch „Tokenisierung von Immobilien“.

Doch bevor wir auf die jeweiligen Chancen und Risiken der Real Estate Tokenisierung eingehen, klären wir vorab die vermutlich wichtigste Frage:

Was versteht man überhaupt unter Real Estate Tokenisierung?

Bei der sogenannten Real Estate Tokenisierung handelt es sich um einen digitalen Verbriefungsprozess von Eigentumsverhältnissen an Immobilien. Konkret bedeutet dies, dass der Anteilsbesitz an einem Asset (hier: einer Immobilie) durch einem Blockchain-basierten Token gekennzeichnet wird.

Wer den Token besitzt, besitzt ein Stück des mit dem Token verbundenen Vermögenswerts – also der Immobilie. Ein Token kann als Stück eines Ganzes verstanden werden.

Immobilien auch für den kleinen Geldbeutel erschwinglich

Eine Vielzahl von illiquiden Vermögenswerten, wie beispielsweise Immobilien, Kunstwerke, Oldtimersammlungen oder Juwelen, die bislang für eine Vielzahl von Anleger*innen nur erschwert zugänglich waren, könnten über den Einsatz der Blockchain Technologie zukünftig also auch für den kleinen Geldbeutel erschwinglich werden.

Konkret kann man es sich so vorstellen, dass die Eigentumsrechte einer Immobilie in beispielsweise 10.000 Einheiten („Token“) aufgeteilt und in digitaler Form auf einer dezentralen Datenbank abgebildet werden.

Statt – wie bisher – mittels einer physischen Urkunde, werden die jeweiligen Besitzverhältnisse an einer Immobilie durch (digitale) Token „verbrieft“.

3 Chancen der Real Estate Tokenisierung

Auch wenn die Real Estate Tokenisierung in Deutschland unter Kleinanleger*innen noch relativ unbekannt ist und wenig Beachtung genießt, ergeben sich hieraus zahlreiche Chancen.

1. Immobilienmarkt öffnet sich für Kleinanleger*innen

Durch die Tokenisierung von Immobilien können zahlreiche Kleinanleger*innen dazu befähigt werden, Bruchteile von Immobilien zu erwerben. Die Tokens erlauben es Besitzverhältnisse aufzuteilen, sodass es bereits mit geringen finanziellen Mitteln möglich wird, einen kleinen „Anteil an einer Immobilie“ zu besitzen. Der An- und Verkauf von Token (beziehungsweise die gesamte Token-Interaktion) wird auf der Blockchain gespeichert. So können Gebühren und Kosten durch Dritte gespart werden, die nicht mehr (oder zumindest nur eingeschränkt) benötigt werden.

2. Hohe Liquidität und Handelbarkeit von Immobilien

Token ermöglichen eine hohe Liquidität, da sie ohne Intermediäre – unabhängig von Börsenöffnungszeiten – verschickt werden können – ähnlich wie bei einer Whatsapp-Nachricht oder E-Mail. Inwieweit dies natürlich auch in der Praxis umsetzbar ist, hängt u.a. enorm von einer breiten Akzeptanz und der technischen Umsetzung ab.

3. Bessere Risikodiversifizierungsmöglichkeiten

Durch geringe Mindestanlageanforderungen wird es Kleinanleger*innen ermöglicht, mit einem relativ geringen Eigenkapitaleinsatz, ein breit diversifiziertes „Immobilien-Portfolio“ aufzubauen. So können mögliche Klumpenrisiken (wie bei einem alternativen direkten Investment in Immobilien) verhindert werden.

3 Risiken der Real Estate Tokenisierung

1. Mangelnde Sekundärmärkte

Eines der größten Probleme der Real Estate Tokens ist die bisher geringe Popularität in der breiten Bevölkerung, sowie der mangelnden Sekundärmärkte. Hier lässt sich natürlich die Frage der Ursache stellen: Verhindern mangelnde Sekundärmärkte ein weites Interesse in der Bevölkerung oder ist die geringe Popularität und Nachfrage ein Grund für mangelnde Sekundarmärkte?

2. Regulierung und Vorschriften

Die Tokenisierung von Immobilie hat in den letzten Jahren einige große Schritte vollbracht – befindet sich jedoch, und dem muss man sich bewusst sein, nach wie vor in den Kinderschuhen und bedarf zahlreicher aufsichtsrechtlicher Anpassungen und Konkretisierungen.

Die Gesetzgebung ist noch relativ lückenhaft und es gibt bisher keine Präzedenzfälle. Es ist jedoch sehr gut erkennbar, dass grundsätzliche Weichen gestellt werden, obwohl die im September 2019 veröffentlichte „Blockchain Strategie der Bundesregierung“ gut abzeichnet, dass noch viel getan werden muss, um Deutschland im Bereich „Real Estate Tokenisierung“ fit zu machen.

3. Unzureichende Aufklärung und Informationen

Der Handel von „Immobilien-Token“ ist noch relativ umständlich und bedarf viel Einarbeitungs- und Rechercheaufwand, der von vielen Kleinanleger*innen als unattraktives Hindernis wahrgenommen wird.

Die Schaffung benutzerfreundlicherer Prozesse für den sicheren Kauf und die sichere Speicherung der „Immobilien Token“, eine intuitive Benutzeroberfläche, sowie die einfache Handhabung und Einrichtung sind nach wie vor die entscheidenden Herausforderungen für die Branche.

Fazit

Trotz zahlreicher Unsicherheiten und Risiken lässt sich festhalten, dass dem auch spannende Chancen und Vorteile gegenüber stehen. Schlussendlich wird die Zukunft zeigen, inwieweit sich die Technologie und die Anlageform in Zukunft in der breiten Masse der Kleinanleger*innen durchsetzen wird.

Es bleibt bei der allgemein gültigen Regel: Erst informieren, dann investieren.

Autorenbeschreibung:
Ricardo ist Gründer des gleichnamigen Finanzratgebers Ricardo Tunnissen. Als zertifizierter VR-Gewerbekundenberater RWGA und diplomierter Bankbetriebswirt BankColleg arbeitete er unter anderem in der privaten Baufinanzierung und der Firmen- und Gewerbekundenberatung einer regionalen Volksbank. Im Oktober 2018 folgte der Schritt in die Selbstständigkeit.

Veröffentlicht in Crypto, Meinung.