Meine Fintech Tops und Flops

Seit einigen Jahren schon rollt die Fintech-Welle durch die Finanzbranche. Neue, innovative Lösungen kommen – und gehen teilweise auch schnell wieder. Einige lösen echte Kundenprobleme und bieten tolle Mehrwerte, andere zeigen eher, was technisch alles möglich ist. Ich habe eine Menge dieser Fintech-Angebote selbst getestet. Während ich einige von ihnen nicht mehr missen möchte, versauern andere ungenutzt auf meinem Smartphone. Meine persönlichen Tops und Flops.

Insgesamt kann man sicherlich festhalten, dass die Fintechs in Summe eine echte Bereicherung für die Finanzbranche sind. Selbst wenn ihre Lösungen nicht immer ausgereift sind, so treiben sie doch die etablierten Banken vor sich her und sorgen allein dadurch dafür, dass diese sich bewegen (müssen). Am Ende profitieren also nicht nur die Nutzer der Fintechs, sondern ebenso alle Bankkunden. Wettbewerb belebt eben das Geschäft.

Auf meinem Smartphone haben schon so einige Fintech-Lösungen Platz gefunden. Viele davon habe ich nach kurzer Zeit wieder gelöscht. Teilweise waren sie, trotz guter Idee, einfach schlecht umgesetzt. Manches Fintech ist auch einfach pleite gegangen und damit gezwungenermaßen verschwunden. Einige Lösungen haben mir persönlich aber so einen Mehrwert geliefert, dass ich sie heute nicht mehr wegdenken mag.

Glase – die Mobile Payment-App

Mehrmal wöchentlich kommt bei mir Glase zum Einsatz (ehem. SEQR). Glase ermöglicht mir als Android-User schon seit Jahren das mobile Bezahlen per Smartphone. Wo andere weiterhin auf ApplePay oder GooglePay warten, sind die KassiererInnen in meinem Stamm-EDEKA längst nicht mehr irritiert, wenn ich zum Bezahlen mein Smartphone zücke. Einfach App öffnen, „Tap&Pay“ drücken, ranhalten und fertig.

Vorteile:

  • Kostenlose, virtuelle MasterCard
  • 1-3% Cashback auf seine Transaktionen
  • einfache Bedienung
  • Einzug per SEPA-Lastschrift vom Girokonto

Nachteile:

  • keine physische Karte als Backup
  • (auch deshalb) nur am POS nutzbar, nicht online
  • nur ein Abrechnungskonto hinterlegbar (keine Wallet)
  • Cashback und Aufstockung des Lastschriftrahmens erfolgen selten automatisch

Curve – eine Karte für (fast) alle

Als eifriger Tester stapeln sich bei mir viele, viele Kreditkarten. Da fällt es schon manchmal schwer, den Überblick zu behalten. Mal ganz abgesehen davon, dass das Portemonnaie ziemlich dick wird. Die Lösung dafür heißt Curve. Die Curve ist eine physische, kontaktlose MasterCard, der ich via App verschiedene Abrechnungskreditkarten zuweisen kann. Sie ist damit die perfekte Ergänzung zu Glase, denn mit der Curve kann ich bequem online bezahlen, Geld am Geldautomaten abheben oder dort am POS bezahlen, wo kontaktlos (noch) nicht funktioniert. Meinen ausführlichen Test zur Curve lest Ihr hier.

Vorteile:

  • nur noch eine Karte im Portemonnaie
  • online wie offline nutzbar
  • Umsätze auch nachträglich von einer Kreditkarte auf die andere umlenken

Nachteile:

  • Abrechnung nur über andere Kreditkarten von MasterCard und VISA möglich (keine Girocard, Amex oder Lastschrift)
  • Umsetzung als Business MasterCard, daher nicht überall am POS akzeptiert (gefühlt bei 90%)
  • (noch) keine virtuelle Kreditkarte in der App für Mobile Payment mit dem Smartphone

Savedroid – der Grenzfall

Bei Savedroid habe ich gemischte Gefühle. Einerseits habe ich diese App lange Zeit sehr intensiv genutzt, um regelmäßig per App kleinere Geldbeträge beiseite zu legen um auf ein mittelgroßes Sparziel hinzusparen. Andererseits habe ich nach dem missglückten PR-Stunt zeitweise das Vertrauen verloren – das jetzt erst langsam wieder zurück kommt. Die Idee der App finde ich allerdings nach wie vor spannend und mehrwertig.

Vorteile:

  • kleinere Geldbeträge per smarter Wenn-Dann-Regeln ansparen
  • (kostenlose) virtuelle MasterCard integriert, um sein Sparziel dann auch zu kaufen
  • einfache Handhabung

Nachteile:

  • massiver Vertrauensverlust nach missglücktem PR-Stunt
  • immer wieder mal technische Probleme mit der App

Paydirekt – mit viel Luft nach oben

Ein weiterer Grenzfall ist die Payment-Kooperation der deutschen Banken und Sparkassen – Paydirekt. Als großer PayPal-Herausforderer angetreten und als Bettvorleger gelandet. So muss man es wohl aktuell leider beschreiben. Die technische Umsetzung von Paydirekt finde ich durchaus gelungen, weshalb ich das Angebot auch grundsätzlich gern nutze. Allerdings versteht es das Konsortium einfach nicht, die relevanten Händler für sich zu gewinnen. Daher kann ich Paydirekt nur sehr selten tatsächlich einsetzen.

Vorteile:

  • einfache Einbindung in das Online Banking meiner Bank
  • intuitive Bedienung und gute UX

Nachteile:

  • (bisher) kaum relevante Händler als Teilnehmer
  • (bisher) keine Wallet-Lösung, sondern nur genau ein Abrechnungskonto

Kontist – gute Konten für Freelancer

Kontist bietet ein gutes kostenloses Geschäftskonto für Freelancer und kleine Selbstständige. Die dazugehörige App hilft dabei, das leidige Thema Steuern nicht aus dem Blick zu verlieren und legt automatisch virtuelle Unterkonten für Umsatz- und Einkommenssteuer an. So weiß ich immer, wie viel meiner Einnahmen tatsächlich mir gehört und wie viel dem Staat.

Vorteile:

  • kostenloses Geschäftsgirokonto
  • mehrwertige Tools in Sachen Steuern
  • Anbindung an innovative Buchhaltungstools

Nachteile:

  • überschaubarer Funktionsumfang, daher nur für kleine Selbständige und Freelancer geeignet
  • Kreditkarte nur gegen Aufpreis enthalten

Smartphone-only Girokonten

Hiervon habe ich so viele gestestet, dass mein SCHUFA-Score mächtig in die Knie gegangen ist. N26, 1822Mobile, YOMO, Revolut, Monese und noch einige mehr. Beeindruckend war jedes Mal, wie schnell und einfach so ein Konto eröffnet ist und wie schön sich die App bedienen lässt. Allerdings nutze ich mittlerweile keines dieser Konten mehr regelmäßig. Denn abgesehen von der einfachen Kontoeröffnung bieten alle diese Konten eigentlich keinen echten Vorteil gegenüber meinem stinknormalen Sparkassenkonto. Klar, bei einem ist die App netter gemacht, bei anderen die Auslandseinsatzgebühr der Kreditkarte günstiger. Im Grunde aber alles Edge-Cases. Dafür gibt es häufiger Probleme mit den Apps und dann eher schlechten Service.

Fazit: Da ist für jeden was dabei, aber am Ende ist und bleibt es ein Girokonto. Die breite Masse dürfte da keinen echten Vorteil für sich finden. Selbst das Argument „kostenlos“ dürfte kaum einen Deutschen vom Hocker reißen, denn das gibt es bei DKB, Comdirect und Co. ebenso. Wer sein allererstes Girokonto eröffnet, könnte bei den jungen Wilden hängen bleiben. Wer allerdings ein gutes Girokonto bei der Bank seines Vertrauens hat, wird wohl kaum dauerhaft wechseln.

Robo Adviser

Auch hier habe ich einige getestet. Cashboard ist mir recht schnell per Insolvenz von der Schippe gesprungen. Vaamo fällt mit relativ hohen Gebühren bei kleinen Sparsummen auf und investify hat zwar nette Zusatzideen mit individuell zubuchbaren Themen. Am Ende aber kauft man bei allen ein Portfolio verschiedener ETF-Sparpläne – und das zu Preisen, die unterhalb derer von aktiv gemanagten Fonds der klassischen Banken liegen. Gleichzeitig sind sie alle aber teurer, als wenn ich selbst ETF-Sparpläne bei einem günstigen Discount-Broker anlege.

Fazit: Für halbwegs informierte Anleger wie mich daher eher ungeeignet – für den Otto-Normal-Sparer aber vielleicht brauchbar.

Exoten-Lösungen

Daneben gibt es noch verschiedene Exotenlösungen. So z.B. Shell SmartPay, eine App, mit der ich an der Shell-Tanke (und nur dort) bezahlen kann, ohne an die Kasse zu gehen. Oder PAYBACK Pay, mit dem ich bei teilnehmenden Partner mal via QR-Code mal via NFC mobil bezahlen kann. Oder die Starbucks-App. Alles Closed-Loop-Payment-Lösungen, die in der Praxis deshalb für mich uninteressant sind, weil ich diese Anbieter zu selten nutze. Zudem möchte ich nur genau eine Payment-App nutzen und damit überall bezahlen. Mich jedes Mal an eine andere Bedienung zu gewöhnen, ist alles andere als kundenzentriert. Also schnell wieder gelöscht.

Fazit

Es gibt also eine Menge innovativer Angebote da draußen. Einiges davon bietet mir als Nutzer echten Mehrwert und setzt sich deshalb auf meinem Smartphone fest. Viele Angebote entpuppen sich aber nach einer kurzen Phase der Anfangseuphorie schnell als langweilig und in der Praxis wenig mehrwertig. Es zeigt sich auch schnell: es macht keinen Spaß, für jede kleine Funktion eine eigene, spezialisierte App zu nutzen. Das dürfte auch erklären, weshalb viele Fintechs die eigene B2C-App eher als Show-Case aufbauen und ihre Technologie dann lieber Whitelabel an die großen Banken lizensieren. Denn viele Kunden wollen eben doch am liebsten alles aus einer Hand – egal, ob nun von ihrer bisherigen Bank oder künftig einmal von Amazon, Google oder Apple.

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