verwitterte Bank

Woran die Banken kranken

„Die Bank gewinnt immer“, lautet ein beliebtes Sprichwort. Wer sich die Pressemeldungen der letzten Jahre anschaut, wird daran mittlerweile große Zweifel haben. Ich habe mir so seine Gedanken zu den Gründen gemacht.

Als ich um die Jahrtausendwende den Entschluss fasste, eine Bankausbildung zu beginnen, war die (Banken-)Welt noch in Ordnung. Banken und Sparkassen galten als beliebte Arbeitgeber mit hoher Arbeitsplatzsicherheit und guten Gehältern, ihre Angestellten genossen einen guten Ruf und waren angesehen. Doch diese heile Welt gibt es mittlerweile nur noch in den Geschichtsbüchern und den Erinnerungen altgedienter Mitarbeiter, die sich fragen, wie es so weit kommen konnte.

So mancher Bankmanager wird jetzt schnell mit einer ganzen Reihe externer Faktoren aufwarten, die den Banken in der letzten Zeit massiv zugesetzt haben. Gern genommen werden hier die Finanzkrise, das langanhaltende Niedrigzinsumfeld und nicht zuletzt die digitale Transformation nebst Angriffs durch Fintechs und Internet-Giganten. Auf den ersten Blick möchte man ihnen zustimmen und könnte den Artikel hiermit abschließen. Aber vielleicht lohnt es sich doch, einmal genauer hinzuschauen.

Fehlender Kundenfokus

Keine Frage: die genannten Faktoren setzen den Banken tatsächlich zu und binden massiv Managementkapazitäten. Doch sie allein sind es nicht, woran die Banken kranken: es gibt eine ganze Reihe hausgemachter Defizite, die sich als die Wurzel des Übels herauskristallisieren.

Der wohl wichtigste Grund ist der fehlende Kundenfokus. Denn eigentlich alle großen Banken(-Gruppen) denken weiterhin primär in Produkten und deren Monetarisierung – aber leider nicht in Kundenproblemen und deren Lösung. Oft diskutiert wurde dieser Punkt z.B. zum Thema „Payment“: Kunden wollen nicht bezahlen, Kunden wollen Waren und Dienstleistungen erhalten. Der Bezahlvorgang ist ein notwendigen Übel, kein Produkt, das Banken vermarkten können. Kunden wollen keine Baufinanzierung, sie wollen wohnen. Sie wollen keinen Rentensparplan, sie wollen flexibel für den Ruhestand vorsorgen.

Wenn Banken denn mal Innovationen einführen, liegt der Fokus eher auf medienwirksamen Leuchttürmen statt auf vermeintlich langweiligen Themen, die dafür einen direkten Kundennutzen mit sich bringen.

Lieber schlecht selbst gemacht…

Hinzu kommt, dass viele Banken verkennen, dass die grundlegenden Bankprodukte und -dienstleistungen extrem beliebig und austauschbar sind. Ein Girokonto ist ein Girokonto ist ein Girokonto. Das Gleiche gilt für Sparbücher, Konsumentenkredite oder Baufinanzierungen. Das reine Produkt unterscheidet sich in der Regel lediglich durch die Konditionen.

Dennoch meinen fast alle Vertriebsvorstände, dass ihre Bank in allen Produktkategorien mit eigenen Produkten am Start sein müssen – selbst dann, wenn diese von den Konditionen her gar nicht wettbewerbsfähig sind. Dabei wäre aus Kundensicht ein Best-in-Class-Ansatz viel sinnvoller, bei dem die Beraterbank ähnlich einer Plattform das jeweils beste Produkt am Markt vertreibt – und wenn es ein Konkurrenzprodukt ist, dann eben gegen Provision.

Insgesamt aber ist die Zusammenarbeit in der Branche sehr ausbaufähig. Anstatt die nötigen Investitionen in die digitale Zukunft gemeinsam anzugehen, herrscht meist striktes Silo-Denken vor. So stöhnt man lieber über die hohen Kosten der Digitalisierung, anstatt gemeinsam etwas zu entwickeln. Ausnahmen wie Paydirekt bestätigen die Regel – und zeigen gleichzeitig, wie schlecht die Zusammenarbeit in so einem Fall funktioniert.

Zudem beschränken sich Europas Banken regelmäßig auf ihren jeweiligen Heimatmarkt – und das in einer (noch) grenzenlosen Europäischen Union. Insbesondere im Bereich Payment eine Selbstbeschränkung, die Kunden geradezu in die Hände global agierender Anbieter wie PayPal treibt.

Technische und prozessuale Altlasten

Als wäre das alles nicht schon schlimm genug, kranken unsere Banken auch noch sehr stark an ihrer Vergangenheit. Besonders die veralteten IT-Systeme und die durch ständige Erweiterungen entstandene Komplexität belasten die Innovationsfähigkeit.

Mit den neuen Instant-Zahlungen haben die Banken übrigens einmal mehr eine Gelegenheit verpennt, weil sie immer noch gedanklich in der guten alten Zeit leben. Anstatt Instant-Payment ohne Aufpreis zum „new normal“ zu erklären und damit PayPal ernsthaft zu bedrängen, versuchen sie lieber, mit diesem Verfahren auf Krampf, direkt Geld zu verdienen. Das führt natürlich dazu, dass es kaum jemand nutzt und millionenschwere Investitionsruinen vor sich hin gammeln.

Hinzu kommen überkommene prozessuale Einschränkungen wie z.B. die Tatsache, dass der Zahlungsverkehr wochenends und feiertags ruht. Gerade dann, wenn die meisten Menschen Zeit zum (online-) Shoppen haben, werden keine Überweisungen ausgeführt. Dem geneigten eBay-Shopper drängt sich schon allein deshalb PayPal auf. Während hier Zahlungen 24/7 wie E-Mails verarbeitet werden, erinnern einen die Einschränkungen bei den Banken an die gute alte Postkutsche. Ein Erbe aus der Zeit, als Zahlungen noch von Hand verarbeitet wurden.

Keine Samstagsarbeit

Und Bankmitarbeiter arbeiten nun mal traditionell nicht am Wochenende. Die Gewerkschaft Ver.di weiß das bisher zu verhindern mit Sprüchen wie „Samstag gehört mein Papa mir!“. Das ist ein eingängiger Slogan, wird aber wie aus der Zeit gefallen. Immerhin holt sich der Otto-Normal-Banker samstags gern frische Brötchen vom Bäcker, geht im Supermarkt oder der City einkaufen und zum Friseur, abends erst Essen und dann ins Kino.

Nur eines tun sie samstags nicht: für ihre Kunden da sein. Und die würden es sicherlich bevorzugen, über komplexe Themen wie Baufinanzierung oder Altersvorsorge in Ruhe am Samstag mit ihrem Berater zu sprechen, als in der Woche abgehetzt nach Feierabend. Immerhin hier gibt es dank Öffnungsklauseln im Tarifvertrag vereinzelte Lichtblicke. Und die sind auch bitter nötig, immerhin ist die digitale Konkurrenz auch am Wochenende meist gut erreichbar.

Kunde schult Mitarbeiter

Immerhin sind die Berater auf Fleisch und Blut das große Unterscheidungsmerkmal der traditionellen Banken gegenüber Online-Banken, Fintechs und den Internet-Riesen. Theoretisch zumindest.

In der Praxis relativiert sich das nur allzu oft schnell wieder, denn die Kunden sind dank Internet heutzutage gut vorbereitet, wenn sie in eine Filiale gehen. Dort treffen sie leider oft auf Mitarbeiter, die deutlich schlechter informiert sind. Gerade bei den digitalen Angeboten heißt es dann immer öfter: Kunde schult Mitarbeiter.

Das ist natürlich fatal, denn solche Mitarbeiter verursachen zwar hohe Kosten, bieten den Kunden allerdings keinen Mehrwert. Die Mitarbeiter müssten sich daher viel stärker auf dem Laufenden halten, sonst löst sich der vermeintliche Wettbewerbsvorteil schnell in Luft auf. Bei den immer noch überdurchschnittlich hohen Gehältern der Branche sicherlich nicht zu viel verlangt.

Ungewisse Zukunft

Die Banken haben also noch eine ganze Menge Hausaufgaben zu erledigen – und meine Auflistung hat noch nicht einmal den Anspruch auf Vollständigkeit. Aber schon hieraus zeigt sich: die Banken müssen nicht viel weniger schaffen, als sich weitgehend neu zu erfinden.

Alte Zöpfe müssen abgeschnitten und die Denkweise komplett gedreht werden, will die Branche weiterhin für ihre Kunden relevant bleiben. Ansonsten droht ihnen der Weg ins Museum. Dann heißt es: „Der letzte macht das Licht aus.“ Ich hoffe, dass es nicht so weit kommen wird.

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