Rheinfall

Unruhige Zeiten am Fintech-Markt: kommt jetzt die große Marktbereinigung?

Vor wenigen Jahren zogen die ersten mutigen Gründer los, den etablierten Banken mit innovativen Ideen das Fürchten zu lehren. Immer mehr junge Fintech-Startups schienen zeitweise die größte Bedrohung der altehrwürdigen Geldhäuser zu sein. Doch nun werden die Zeiten unruhiger – erleben wir jetzt die große Marktbereinigung?

Fintechs als Disruptoren der Bankenbranche

Seit einigen Jahren rollt nun bereits die Fintech-Welle über die Finanzbranche hinweg. Junge, innovative Startups machten sich im Windschatten der Finanzkrise auf, Finanzdienstleistungen mittels moderner Technologie neu zu denken. Mit Produkten und Prozessen, die konsequent vom Kunden her gedacht wurden, schickten sie sich an, die Banken zu disrupten.

Die klassischen Banken machten ihnen dieses Unterfangen lange Zeit denkbar einfach. In den Nachwehen der Finanzkrise befanden sie sich im nackten Überlebenskampf. Der Fokus der Entscheider in den Vorstandsetagen wanderte stetig zwischen Niedrigzins und Regulatorik – die neue Konkurrenz dagegen wurde anfangs kaum wahrgenommen. Die kleinen Startups wurden bestenfalls interessiert beäugt, gleichzeitig aber auch eher milde belächelt.

Dabei konnten viele Fintech-Startups mit innovativen Ideen Experten von sich überzeugen. Von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen, konnten viele von Ihnen ihr innovatives Potential allerdings kaum in wirtschaftlichen Erfolg ummünzen. Gründe dafür liegen insbesondere im schweren Zugang zu Kapital und besonders im geringen Kundenvertrauen. In Finanzdingen vertraut man eben keinem unbekannten Startup.

Plattformen bedrohen Banken und Fintechs

Wenngleich sich einige von ihnen mittlerweile langsam aber sicher am Markt etablieren, stellt die große Masse von ihnen keine ernsthafte Bedrohung für die Banken dar. Die wirkliche Bedrohung kommt denn auch aus einer ganz anderen Ecke – und zwar für Banken und Fintechs gleichermaßen. Es sind die großen US-amerikanischen und chinesischen Technologie-Riesen der GAFA- (eigentlich eher GAFA+P+M) und der BAT-Gruppe.

Die hinter diesen Kürzeln stehenden Konzerne wie Google, Amazon, Facebook, Apple, PayPal, Microsoft (alle USA) sowie Baidu, Alibaba und Tencent (alle China) sind allesamt wahre Giganten an den Weltbörsen und dominieren ihre jeweiligen Branchen. Sie alle sind von Haus aus eigentlich keine Banken (PayPal bestätigt als Ausnahme die Regel), drängen aber in letzter Zeit verstärkt auch in diesen Markt.

Dabei geht es ihnen eigentlich weniger darum, den Banken aktiv Konkurrenz zu machen und sich zu Universalbanken zu entwickeln. Das liegt schon allein daran, dass sie in ihren Kernmärkten deutlich höheren Umsatz- und Kapitalrenditen erzielen, als in der tendenziell unattraktiven Bankbranche. Stattdessen setzen sie auf jeweils ausgewählte Teilbereiche des Bankings, um ihr jeweiliges Ökosystem zu erweitern und damit ihre Kunden an sich zu binden.

Die Spreu trennt sich vom Weizen

Das Vorpreschen der Technologie-Riesen dürfte einer der Treiber dafür sein, was wir gerade am Markt beobachten können: es trennt sich die Spreu vom Weizen. Sprossen in der Anfangsphase jeden Monat in jeder Nische reihenweise neue Fintechs aus dem Boden, hat sich das Bild mittlerweile gewandelt. Berichte über Pleiten häufen sich, oftmals auch deshalb, weil die Startups keine Anschlussfinanzierung erhalten.

Auf der anderen Seite zeigt sich, dass einige wenige Fintechs mittlerweile riesige Finanzierungsrunden auf sich ziehen. Die Neo-Banken N26, Revolut und Monzo machen regelmäßig mit zwei- bis dreistelligen Millionenrunden auf sich aufmerksam. Und auch bei einigen wenigen anderen Fintechs geht es um Finanzierungsrunden von 100 Mio. +.

Mit idealistischen, kleinen Startups hat das mittlerweile wenig zu tun. Die Szene professionalisiert sich in atemberaubendem Tempo. Das ist nicht schlecht, sondern einfach eine zu erwartende Entwicklung. Gerade in Finanzangelegenheiten ziehen (potentielle) Kunden Professionalität meist dem Idealismus vor.

Erinnerungen an die dotcom-Blase

Insgesamt ähnelt die aktuelle Situation stark der Entwicklung während der dotcom-Blase zur Jahrtausendwende. Auch damals sind nach dem Platzen der Blase viele gehypte Startups von Markt gespült worden. Betroffen hat es damals wie heute wesentlich Unternehmen, die über kein nachhaltiges Geschäftsmodell verfügten. Innovative Technologie und Kundenzentrierung sind zwar gut und wichtig – nur ist das allein eben nicht ausreichend.

Gleichzeitig haben sich einige wenige Champions durchgesetzt, die eben ein (potentiell) nachhaltiges Geschäftsmodell in der Schublade hatten. Diese Champions haben damals wie heute ihre Kapitalstärke genutzt, um aus der Insolvenzmasse ihrer gescheiterten Konkurrenten Technologie, Know-How und Workforce aufzukaufen.

Für alle Fintech-Fans spannend wird die Frage, ob es auch eine weitere Parallele geben wird. Einige der größten Internetgiganten hat es beim Platzen der dotcom-Blase noch gar nicht gegeben. Facebook wurde erst 2004 gegründet, Twitter 2006 und Uber 2009. Werden also einige der wichtigsten Fintechs erst noch gegründet und von professionellen Gründern mit viel Venturekapital zu neuen Giganten großgezogen?

Seien wir gespannt!

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