Robo Advisor Scalable Capital – es kann nur einen geben

Der deutsche Robo Advisor Scalable Capital vermeldete diese Woche die erste Milliarde Euro an verwaltetem Kundenvermögen. Eigentlich ein tolles Zeichen für die Fintech-Branche. Allerdings ist der Erfolg teuer erkauft – und für die meisten anderen Robos dürfte es eng werden.

Es ist schon eine stolze Zahl: eine Milliarde Euro. Eine 1 mit neun Nullen. So viel Kundenvermögen verwaltet Deutschlands erfolgreichster Robo Advisor Scalable Capital mittlerweile. Damit reihen sich die Münchner ein in einen kleinen, aber feinen Kreis von Fintechs, die diese Grenze übersprungen haben. Im Wertpapierbereich ist man damit Marktführer in Deutschland und starke Nummer 2 in Europa – der britische Rivale nutmeg konnte bereits im November 2017 die Marke von 1 Milliarde GBP knacken. In der Geldanlage allgemein gehören die Spareinlagenvermittler Weltsparen und Deposit Solutions zu den Vermittlungsmilliardären.

Scalable Capital Gründer
Erfolreiches Gründer-Team: Florian Prucker, Erik Podzuweit und Stefan Mittnik (Quelle: Scalable Capital / Pressekit)

Noch beeindruckender ist, dass Scalable Capital diese magische Grenze in gerade einmal 28 Monaten am Markt erreicht hat. Wie man es dreht und wendet, es ist ein beachtlicher Erfolg. Zwar sind die Zahlen noch immer überschaubar im Vergleich mit klassischen Vermögensverwaltern im deutschsprachigen Raum. Allein die Hamburger Sparkasse verwaltet für ihre Kunden über 9 Milliarden Euro, die Privatbank Berenberg sogar gut 41 Milliarden. Allerdings sind das auch Finanzinstitute mit jeweils weit über 100 Jahren Unternehmensgeschichte. Sollte Scalable Capital das aktuelle Wachstumstempo auch nur annähernd aufrecht erhalten können, dürfte das Startup in einigen Jahren mit ähnlichen Zahlen aufwarten.

Robo Advisor ist massiv abhängig von der ING DiBa

Mit dem Wachstum ist es allerdings so eine Sache. Zwar ist das Fintech in der ersten Zeit durchaus sehr gut organisch gewachsen. Es zahlte sich aus, dass sich Scalable Capital frühzeitig auch auf den britischen Markt begeben hat. Der deutsche Anleger ist dann ja doch eher konservativ – mit den britischen Anlegern konnte die deutsche Konkurrenz schnell distanziert werden. Den wirklich großen Wachstumsschub hat der Robo Advisor allerdings erst durch die Kooperation mit der deutsch-niederländischen Direktbank ING-DiBa erfahren.

Auch wenn Co-Gründer Erik Podzuweit im Handelsblatt entgegengesetzt zitiert wird: die Abhängigkeit von einer der größten Bankengruppen Europas ist unverkennbar. Dem Artikel zufolge sollen in den letzten acht Monaten etwa drei Viertel aller Neukunden vom Bankriesen vermittelt worden sein. Branchenkreisen zufolge sollen ING-Kunden für etwa 60 Prozent der verwalteten Asset under Management des Fintechs stehen. Die ING weiß um seine Position – und kann diese offenbar zu ihrem Vorteil ausspielen. Denn: das dynamische Kundenwachstum ist teuer erkauft.

Im Eigengeschäft verlangt Scalable Capital eine Verwaltungsgebühr von 0,75% p.a. (inkl. Umsatzsteuer). Im Kooperationsgeschäft muss das Fintech allerdings einen Anteil von 0,42%-Punkten p.a. an den Vermittler ING abtreten, also mehr als die Hälfte seiner Einnahmen. Bei einem vermittelten Volumen von 600 Millionen Euro bedeutet das immerhin ca. 2,5 Millionen Euro Vermittlungsprovision, die von Scalable Capital an die ING fließen (600 Mio. x 0,42%). Aber auch ein teuer erkaufter Erfolg bleibt ein Erfolg. Immerhin nämlich generieren die Münchner somit einen mittleren einstelligen Millionenbetrag an Umsatz und sind damit auf dem Weg, nachhaltig erfolgreich zu werden.

Vielen anderen fehlt die kritische Masse

Damit unterscheidet sich Scalable Capital von den meisten anderen Robo Advisern in Deutschland. Denn Verfolger können von diesen Zahlen nur träumen. So kommt LIQID gerade einmal auf 250 Millionen Kundenvermögen, Quirion auf noch 100 Millionen. Cominvest, der Robo Advisor der comdirekt Bank konnte bisher 300 Millionen Euro einsammeln. Auch wenn die einzelnen Gebührensätze teilweise über denen von Scalable Capital liegen: bei einem derart überschaubaren Volumen als Berechnungsgrundlage dürften die wenigsten Robos überhaupt auch nur eine Million Euro an Umsatz erwirtschaften. Bedenkt man, wie viele teure, weil gefragte IT-Spezialisten die Firmen benötigen, dürften alle weiterhin in der Verlustzone verharren.

Während Banken wie die comdirect soetwas als Anlaufverluste verbuchen und mit einem langen Atem vielleicht (!) doch noch zum Erfolg führen können, dürfte die Luft für die vielen anderen Fintechs schnell dünn werden. Robo Advisor wie Whitebox, Ginmon, Growney und Co. kommen im Schnitt gerade einmal auf Kundenvermögen zwischen 30 und 60 Millionen Euro. Zu wenig, um damit wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Wie schnell hier das Aus droht, ließ sich im letzten Jahr an der Pleite des Robo Advisors Cashboard beobachten.

Es kann nur einen geben

Es muss nicht gerade das Highlander-Motto sein, aber fest steht: der Markt scheint nicht groß genug zu sein für die Vielzahl an Robo Advisern in Deutschland. Über 20 von Ihnen tummeln sich in der DACH-Region und kaum einer erreicht die kritische Masse. Die einzige Hoffnung für viele scheint die Übernahme durch eine Bank(engruppe), die sich die Technologie einkaufen will. Oder eben weitere enge Kooperationen, wie die von investify mit der Haspa.

Kooperation Haspa investify
Kooperation zwischen Bank und Robo Advisor: Haspa und investify (Quelle: Screenshot Haspa.de)

Wie es sich mit Scalable Capital verhält, wird sich zeigen müssen. Einerseits dürften sie die kritische Masse erreichen, die zur nachhaltigen Profitabilität nötig ist. Andererseits ist ihr Schicksal derart eng mit der ING-DiBa verbunden, dass sich zeigen wird, wie eigenständig man auf Dauer sein wird. Das allerdings dürfte – im Vergleich mit der Konkurrenz – eher eine Luxussorge sein.

Aktuell hat Scalable Capital auf jeden Fall erstmal allen Grund zum Feiern. Ehre, wem Ehre gebührt.

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