Payment im stationären Handel – ein Selbstversuch

Die deutschen Verbraucher sind Bargeldfetischisten – so jedenfalls lesen sich regelmäßig Medienartikel zu entsprechenden Studien. Allenfalls bei größeren Beträgen darf es auch schon mal die Girocard sein. Kreditkarten, kontaktloses Bezahlen oder gar Mobile Payment gehen gar nicht – so ein gängiges Vorurteil. Aber stimmt das wirklich? Ich habe mich im stationären Handel einmal ausgetobt.

Nur Bares ist Wahres …

Deutschland ist das Land der Barzahler, so viel steht einmal fest. Während insbesondere in den skandinavischen Ländern mittlerweile selbst die Kollekte in der Kirche oder gar die Spende an den Obdachlosen per Kartenzahlung geleistet werden kann, gilt für den Deutschen: nur Bares ist Wahres. Laut einer Studie der Europäischen Zentralbank haben die Bürger keines anderen Euro-Landes derart viel Bargeld im Portemonnaie. Ganze 103 Euro sind es im Schnitt. Zum Vergleich: in allen 19 Ländern des Euro-Systems sind es durchschnittlich gerade einmal 65 Euro.

Daneben schafft es an der Ladenkasse bislang nur die Girocard – von den meisten noch „EC-Karte“ genannt – auf einen nennenswerten Umsatzanteil an der Ladenkasse. Meist kommt sie bei größeren Einkäufen wie z.B. im Elektronik-Fachhandel oder an der Tankstelle zum Einsatz. Bei kleineren Beträgen ist sie dagegen verpönt – und auch heutzutage immer noch gern per Mindestumsatz ausgeschlossen. Ein Relikt aus den Zeiten, in denen die Interbankenentgelte unreguliert und deshalb teuer waren.

… Kreditkarte fristet Nischendasein

Die in vielen anderen Ländern weit verbreitete Kreditkarte hat sich hierzulande dagegen bisher kaum durchgesetzt. Vielfach liegt das an alten Vorurteilen diesen Karten gegenüber. So suggeriert bereits der Name, dass man bei der Zahlung per Kreditkarte einen Kredit aufnimmt. Die sind in Deutschland nicht gern gesehen. So liest man unter Artikeln zu diesem Thema oft und gern Kommentare à la: „Wer sich [beliebiges Produkt] schon auf Kredit kaufen muss, der sollte es lieber sein lassen.“. Dass die meisten hierzulande ausgegebenen Kreditkarten in Wirklichkeit Charge-Karten sind, die einmal monatlich dem Girokonto belastet werden: geschenkt. Hier ist also viel Unwissen mit im Spiel.

Dazu kommt ein weiteres Vorurteil, das früher sogar zutreffend war (und in einigen Ausnahmefällen sogar heute noch). Nämlich, dass Kreditkarten für den Händler teuer sind. Früher mussten Händler oftmals tatsächlich 3 – 5 % Transaktionsgebühren auf den Zahlbetrag löhnen. Mittlerweile hat die EU aber auch hier die Interbanken-Entgelte reguliert und auf maximal 0,3% des Umsatzes gedeckelt (im Vergleich zu 0,2% bei Debitkarten). Unrühmliche Ausnahmen sind lediglich Firmen-Kreditkarten und sogenannte 3-Parteien-Systeme wie American Express. Beide Fälle sind von der EU-Richtlinie derzeit nicht erfasst.

Neuer Schub durch die Discounter

In den letzten Jahren hat sich die Situation in Deutschland allerdings ein Stück weit verbessert. Nach der genannten EU-Regulierung haben nämlich die großen Lebensmittel-Discounter LIDL und ALDI ihre Kassensysteme konsequent für Kreditkarten freigeschaltet. Damit hat sich der Druck auch auf andere Händler deutlich erhöht. Das zeigt sich dann sogar bei mir in der Provinz. Hatte mein lokaler EDEKA bis ins letzte Jahr ausschließlich die Girocard akzeptiert (bei 10 Euro Mindestumsatz!), ist seit einem Umbau plötzlich auch die Kreditkarte gern (?!) gesehen. Auch der Mindestumsatz ist für alle Karten gefallen – auch wenn die KassiererInnen bei Beträgen unter 10 Euro weiterhin komisch schauen.

Ein schwieriges Feld bleiben weiterhin Bäckereien, obwohl gerade sie für Kartenzahlungen prädestiniert wären. Immerhin hat kaum jemand die krummen Beträge passend dabei. Das viele Bargeldhandling sorgt regelmäßig für Kassendifferenzen. Und das Thema Hygiene bei Verkauf von Lebensmitteln ist auch so ein Thema. Schließlich ist Bargeld in der Regel extrem keimverseucht. Mit kontaktlosen Kartenzahlungen könnten Kunden mit einem Tap und ohne PIN oder Unterschrift bezahlen und gleichzeitig die Warteschlangen verkürzen.

Bargeldloses Payment in der Stadt

Beim Frühlings-Shoppen in der Lüneburger City zeigt sich, dass Kartenzahlungen auch hier nicht mehr wegzudenken sind. Allerdings ist die Spanne dessen, was geboten bzw. akzeptiert wird, groß. Gerade kleine, inhabergeführte Geschäfte sträuben sich oftmals noch, etwas anderes als die Girocard anzunehmen. Auch Mindestumsätze sind hier weiterhin üblich. Das dürfte vermutlich an unvorteilhaften Altverträgen mit den Hausbanken und deren Partner-Netzanbietern liegen. In denen sind die reduzierten Bankeninterchanges noch nicht berücksichtigt – zur Freude des Netzanbieters und zu Lasten des Händlers.

Gerade die großen Ketten sind auch auf internationale Touristen ausgerichtet und akzeptieren völlig selbstverständlich auch Kreditkartenzahlungen selbst für Kleinbeträge im einstelligen Eurobereich. Hier sind insbesondere auch kontaktlose Zahlungen via NFC Standard. Allerdings zeigte sich, dass selbst die Kassierer bei C&A oder H&M immer noch überrascht sind, wenn ich mein Smartphone zum Bezahlen ans Terminal halte. Die finden es zwar alle cool, sind aber dermaßen überrascht, dass ich wohl tatsächlich jeweils der erste Kunde war, bei dem sie das beobachtet haben.

Push Notification von Curve
Kontaktlose Zahlung mit der Curve-MasterCard – Push-Notification (Quelle: Curve)

Aber auch kontaktlose Zahlungen mit physischen Karten wie meiner Curve Card sind derzeit selten gesehen. Die meisten Kassierer wollen mir noch die Karte aus der Hand nehmen, wen ich nicht versuche, sie zu stecken. Auch hier ist die Überraschung oftmals groß, wenn es einfach so „Piep“ macht.

Noch eines an Weg zu gehen

Insgesamt muss man zwar schon festhalten, dass die Akzeptanz von Karten deutlich gestiegen ist. Allerdings gibt es immer noch unerwartete Inseln mit seltsamen Konstellationen. In unserem Multiplex-Kino kann ich zwar mit der Girocard zahlen, nicht aber mit Kreditkarten. Die Terminals unterstützen zwar NFC, nur leider nicht per Girocard kontaktlos, sondern nur mit der Totgeburt GiroGo.

Die weiterhin überschaubare Kreditkartenakzeptanz dürfte auch weiterhin das Haupthindernis für die Einführung von Apple Pay und Google Pay hier in Deutschland sein. Schade eigentlich, denn so werde ich weiterhin wie ein Außerirdischer angeschaut, wenn ich via SEQR mit meinem Android-Smartphone an der Kasse bezahle.

Es bleibt also noch einiges an Weg zu gehen, bis wir in Sachen Payment endlich in der technologischen Gegenwart ankommen.

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