Die Bankfiliale – wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit

Die Bankfiliale war über Jahrhunderte das Gesicht jeder Bank oder Sparkasse: mit Kassenhäuschen, Schalterhalle, Beratungszimmer und später SB-Bereich. Aber die Filiale war (und ist noch) mehr – zumindest in der Provinz auf den Dörfer ist sie oftmals zusammen mit dem Bäcker und dem Supermarkt Treff- und Mittelpunkt des Ortes. Nun bedrohen sinkende Einnahmen einerseits und verändertes Kundenverhalten andererseits die Existenz vieler Filialen. Zeit, sich einmal mit der Zukunft der Bankfiliale zu beschäftigen.

Erscheinungsbild der Bankfiliale im Wandel

Die Bankfiliale hat in den letzten Jahrzehnten schon so manchen Wandel mitgemacht. Nachdem sie zuvor lange Zeit eine eher bedrückende Ausstrahlung mit schweren Eichenmöbeln, massiven Schalterfronten und gut gesicherten und kleinen Fenstern hatte, haben Unternehmensberater wie McKinsey den Banken immer wieder neue Konzepte geschrieben. Die Eichenmöbel verschwanden, Schalterfronten wurden aufgelockert und Kassenhäuschen vielerorts abgebaut. Fensterfronten wurden zu Schaufenstern und – weil viele Kunden mittlerweile in den SB-Zonen hängen bleiben – „Welcome-Desks“ zur Begrüßung eingerichtet.

Mittlerweile muss man vielen Banken und Sparkassen zumindest guten Willen zugestehen, wenn es um die Kundenfreundlichkeit und Attraktivität ihrer Filialen geht. Das alte Behördenimage wurde erfolgreich abgelegt und – mal mehr, mal weniger erfolgreich – ein Servicegedanke eingeführt. All das wurde begleitet von einem ersten Wandel auch im Mindset der Mitarbeiter: der Kunde ist mittlerweile nicht mehr Bitt- und Antragssteller, sondern wertvoller „König Kunde“, der umgarnt und hofiert wird.

Hohe Kosten und sinkende Einnahmen lassen Filialnetz schrumpfen

Nachdem die Banken mit dieser stärkeren Kundenorientierung und unter dem Zwang eines gerade in Deutschland immer stärkeren Wettbewerbs ihr Filialnetz bis Anfang der 1990er Jahre kontinuierlich ausgebaut hatten, setzte dann ab Mitte der 90er Jahre das große Filialsterben ein. Die Banken mussten schlicht und einfach feststellen, dass sich viele ihrer schicken Filialen unter dem Strich einfach nicht mehr rechneten.

Insbesondere unter den Sparkassen und Volksbanken setzte sich die Erkenntnis durch, dass man nicht in jedem noch so kleinen Dorf eine Filiale betreiben kann und muss.  Sie schlossen Filialen in den Wohndörfern und legten mehrere von Ihnen dorthin zusammen, wo die Menschen zum Einkaufen fuhren. Insbesondere bei den Sparkassen, in deren Verwaltungsräten lokale Politiker oftmals ein gewichtiges Wörtchen mitzureden haben, zog sich dieser Prozess arg in die Länge. Kein Wunder, wollten die Politiker doch wieder gewählt werden. Und der Verlust ihrer geliebten Sparkassenfiliale vor Ort hätte die potentiellen Wähler ja verärgern können.

Doch der stetig steigende Wettbewerbsdruck im deutschen Bankenmarkt, der mit dem Eintritt immer neuer ausländischer Akteure die Bankgewinne stagnieren und in vielen Fällen sogar sinken ließ, brach nach und nach auch diesen Widerstand.

Online-Banken und SB-Technik verändern das Kundenverhalten

Mit der stärkeren Fokussierung auf den Kunden und der Kostenoptimierung der Filialen hätte nun alles gut sein können. Aber zunächst die SB-Technik und später das Online-Banking als erste Ausprägungen der Digitalisierung im Bankensektor blieben nicht ohne Auswirkungen: die neue Technik führte sukzessive zu einem veränderten Kundenverhalten. Geldautomaten und SB-Terminals verlagerten nach und nach große Teile des Kundenservices aus der Schalterhalle in die SB-Zone, in der Kunden ihre Girokonten rund um die Uhr verwalten konnten.

Die Banken forcierten diesen Wandel im Kundenverhalten anfangs dadurch, dass sie Dienstleistungen am Schalter höher bepreisten und im Gegenzug Leistungen an den SB-Geräten kostenfrei stellten.

Mit der immer stärkeren Verbreitung des Internets setzte sich als eine der ersten wichtigen Anwendungen auch das Online-Banking schnell durch. Nun mussten die Bankkunden noch nicht einmal mehr das Haus verlassen, um ihre Bankgeschäfte zu erledigen – zumindest galt das anfangs schon für Überweisungen und Kontostandsabfragen/Kontoauszüge. Auch das Online-Banking wurde von den Banken durch eine entsprechende flankierende Preisgestaltung stark gepusht.

Aber je mehr die Kunden die neuen Medien für ihre Bankgeschäfte nutzten, desto mehr wurde den Banken und Sparkasse klar, dass sie ihre Filialen einmal mehr von Grund auf überdenken mussten. Denn wo sie früher den direkten Kontakt am Schalter als Anlass zum Cross-Selling oder zumindest zur Terminvereinbarung nutzen konnten, blieben die Kunden dem Inneren der Filialen nun zumeist fern. In die Filialen kamen regelmäßig nur noch die Alten und die Technikmuffel.

Die steigende Popularität des bequemen Online-Bankings führte schließlich zum Siegeszug der Direktbanken, die mit einfachen Standardprodukten und – dank geringerer Kosten – besten Konditionen die jungen Potentialkunden für sich gewinnen konnten.

Und diese jungen Potentialkunden sind mittlerweile erwachsen, zumeist gut ausgebildet und stehen mit beiden Beinen im (Berufs-)Leben. Sie sind mit den Direktbanken und dem Online-Banking aufgewachsen, probieren sich mittlerweile mit den  Angeboten der FinTechs aus und fühlen sich von den Bankfilialen in den meisten Fällen gar nicht mehr angesprochen. Die täglichen Bankgeschäfte werden wie selbstverständlich online (und mittlerweile mobile) getätigt und Beratung gilt als überflüssig, wo es doch für nahezu jeden Thema im Netz geeignete Foren und zur Not Google gibt.

Neue Ideen für die Bankfiliale der Zukunft

Wenn die Bankfiliale – und mit ihnen die großen Filialbanken – eine Zukunft haben wollen, brauchen Sie also neue Ideen, um die junge und mobile Generation wieder anzuziehen. Die deutschen Großbanken testen bereits seit längerem mit Laborfilialen neue Konzepte aus. Die Deutsche Bank mit Ihrer Q110 in Berlin, die Commerzbank mit einer Pilotfiliale ebenfalls in Berlin, aber auch die Sparkassen wie z.B. die Haspa mit ihrer Filiale 1 in bester Hamburger Lage am Jungfernstieg.

Aktuell bieten diese „Experimentierkästen“ meistens viel moderne Technik – allerdings ohne ein konsistentes Anwendungskonzept dahinter – und verschiedene Erlebniswelten wie z.B. Lounges oder Cafés. Kostenfreies WLAN ist hier selbstverständlich – in den normalen Filialen dagegen tut sich bisher noch meist eher wenig. Die Haspa hat sich immerhin kürzlich dazu entschieden, kostenloses WLAN in sämtliche Filialen zu bringen (wir berichteten).

Banken in Übersee sind da teilweise schon weiter – oder zumindest auf neuen Wegen unterwegs. Die UMPQUA-Bank, eine Regional-Bank in Oregon im Westen der USA, bietet ihre Filialen als Ausstellungsfläche für regionale Unternehmen an und veranstaltet verschiedene Events in ihren Räumlichkeiten. So werden auch Menschen in die Filialen gelockt, die diese sonst gar nicht mehr betreten würden – eine gute Kontaktchance für die Bank. Allerdings stellt sich die Frage, inwieweit dieses Konzept auf andere Märkte 1:1 übertragbar ist.

Die verloren gegangene Laufkundschaft wird mit den genannten Konzepten wieder angezogen, allerdings bleibt die Überleitung dieser potentiellen Kunden in die Bankberatung weiterhin herausfordernd.

Multikanal-Banking als Schlüssel

Eine wichtige Erkenntnis für die großen und kleinen Filialbanken ist, dass die Filialen künftig nur einer von mehreren gleichberechtigten Kanälen ist, auf denen ihre Kunden mit der Bank interagieren wollen. Und es ist nicht mehr die Bank, die diesen Kanal vorgibt – es sind die Kunden, die sich in jeder Situation und Lebenslage den für sie passendsten und bequemsten Kanal heraussuchen. Umso wichtiger ist es für die Banken, Ihr Online-Banking sowie die mobilen Angebote auf den aktuellen Stand zu bringen.

Ziel muss es sein, dass der Kunde wirklich über jeden Kanal alle Geschäftsvorfälle abschließen kann – idealerweise erleichtert es ihm die Bank, seine Customer Journey über verschiedene Kanäle hinweg erleben zu können. So kann der erste Kontakt z.B. über das Call-Center erfolgen, die Produktberatung in der Filiale und der Abschluss dann im Online-Banking.

Die Bankfiliale ist damit weiterhin ein Baustein eines Multikanal-Konzeptes, verliert aber ihre bisher herausragende Stellung innerhalb der Bank. In einer Zeit, in der dank Kooperationen mit spezialisierten Fintechs alle Banken – ob Direktbank, Filialbank oder Mobile-Only-Neulinge wie Number26 – ein recht austauschbares Produkt- und Dienstleistungsangebot anbieten, könnte der Filiale dennoch wieder eine wichtige Rolle zur Differenzierung im Wettbewerb um die Kunden zukommen. Hier können Mitarbeiter vor Ort Markenkernwerte erlebbar machen und mit ihrer Persönlichkeit der Bank ein menschliches Gesicht geben.

Entscheidend wird es für die Banken darauf ankommen, das richtige Personal in den Filialen zu beschäftigen und ihm die richtige Einstellung zu vermitteln. Die Mitarbeiter vor Ort müssen sich künftig mehr als Markenbotschafter denn als Berater oder Servicemitarbeiter verstehen. Für einige von ihnen sicherlich eine gewaltige Umstellung.

Auch die Technik in den Filialen muss sich ändern, ist sie aktuell doch meistens die älteste in der gesamten Bank. Während Online- und Mobile-Banking mit schlanken Front-Ends einfach und bequem zu bedienen sind, quälen sich die Filialmitarbeiter mit Legacy-Systemen, die schwerfällig zu bedienen sind und das Beratungserlebnis vermiesen.

Video-Chat und FAQs, die den Kunden online und mobil bereit gestellt werden, müssen auch den Mitarbeitern in den Filialen zur Verfügung gestellt werden. Auch sonst muss die Technik seamless in die Filiale eingebunden werden, z.B. durch Tablets für die Berater, mit denen sie den Kunden den Umgang mit Online-Banking und mobilen Apps näher bringen können.

Fazit

Meiner Meinung nach wird die Bankfiliale auch zukünftig nicht von der Bildfläche verschwinden – ebenso wenig, wie die Einzelhändler vollständig durch Amazon und Co. aus den Innenstädten vertrieben wurden. Aber sich ihr Erscheinungsbild, ihre Funktion und auch ihre Anzahl und Größe zukünftig deutlich verändern. Filialen werden zu einem von mehreren gleichberechtigten Kanälen und ihre Mitarbeiter mehr und mehr zu Markenbotschaftern, die tendenziell in quantitativ weniger, dafür qualitativ aufgewerteten Filialen ihre Dienste anbieten. Wichtig wird es zudem sein, die Kunden nach ihren Wünschen zu befragen um zu verstehen, wie und wofür diese die Filialen überhaupt nutzen möchten.

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