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Die 7 häufigsten Irrtümer über Kartenzahlungen

Deutschland ist das Land der Barzahler, heißt es. Das liegt auch daran, dass sich diverse Irrtümer über Kartenzahlungen hartnäckig halten. Ich habe mir die 7 größten Irrtümer angeschaut.

Es dürfte keine Überraschung sein, dass ich als Fintech-Blogger ein Heavy-User von Kartenzahlungen bin. Auch meine Familie habe ich damit mittlerweile komplett angefixt. Gleichzeitig ist Deutschland allerdings weiterhin ein Entwicklungsland wenn es um bargeldlose Zahlungsmethoden geht.

Das liegt auch daran, dass sich diverse Irrtümer über Kartenzahlungen hartnäckig in der Bevölkerung halten. Grund genug, sich einmal mit den sieben häufigsten auseinanderzusetzen. Diese Sammlung erhebt natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ist sicherlich auch ein wenig subjektiv, dürfte aber die geläufigsten Themen umfassen.

1. Kartenzahlungen sind langsam

Der erste Klassiker der Irrtümer über Kartenzahlungen ist, dass es viel langsamer sein soll, mit Karte zu bezahlen, als mit Bargeld. Das war früher tatsächlich einmal so und hatte verschiedene Gründe. Da waren zum Einen die langsamen Internetleitungen, mit denen die Händler ihre Kartenterminals angebunden haben. Nicht selten waren es Dial-Up-Verbindungen über ISDN, bei denen bereits die Einwahl mehrere Sekunden dauerte. Mittlerweile hat sich in der Breite allerdings auch hier die LAN-Verbindung durchgesetzt, so dass das Senden und Empfangen nur noch Sekundenbruchteile in Anspruch nimmt.

Ein anderer Zeitfresser war bis vor Kurzem die Absicherung der Zahlung per PIN oder Unterschrift. Dank des Durchbruchs kontaktloser Zahlungen ist diese allerdings nur noch selten nötig. Insbesondere das wilde Lastschriftverfahren per Unterschrift ist zum Glück auf dem Rückzug. Bei Mobile Payment via ApplePay oder GooglePay erfolgt die Authentifikation über das Smartphone (via CDCVM).

Schnecken auf einem Stein - Nummer 1 der Irrtümer über Kartenzahlungen: Kartenzahlungen sind langsam.
Kartenzahlungen sind langsam? So ein Quatsch! (Quelle: Tobias Baumgarten)

Mitte 2019 kursierten zwar Studienergebnisse, die das Bargeld als schnellste Zahlmethode auswiesen – allerdings war das kontaktlose Bezahlen hier noch nicht berücksichtigt. Mittlerweile sind also Kartenzahlungen schneller – und das nicht nur, wenn es die ältere Dame vor Euch an der Kasse mal wieder passend hat 😉

2. Kartenzahlungen sind teuer

Auch dieser Irrtum hält sich hartnäckig – und auch er ist ein Relikt aus alten Zeiten. Denn früher stimmte diese Aussage tatsächlich einmal. Insbesondere für Kreditkartenzahlungen mussten Händler damals nicht selten Gebühren von 3% und mehr an den Herausgeber der Karte bezahlen. Aber auch Zahlungen mit der beliebten Girocard (aka „EC-Karte“) waren einmal teuer.

Seit allerdings die EU im Jahr 2015 mit ihrer MIF-Richtline verbindliche Obergrenzen für die sogenannten „Interbanken-Entgelte“ aufgestellt hat, sind Kartenzahlungen spürbar günstiger geworden. Das war auch der Grund, weshalb anschließend die großen Discounter ALDI und Lidl plötzlich Kreditkarten akzeptiert haben. Das hätten sie definitiv nicht getan, wenn Kartenzahlungen weiterhin teuer gewesen wären.

Gleichzeitig ist es nicht so, dass Bargeld keine Kosten für den Händler produzieren würde – im Gegenteil: auch Bargeld ist teuer. Denn auch der Austausch von Bargeld kostet wertvolle Kassierzeit und verursacht damit Personalkosten. Hinzu kommen Kassendifferenzen, Versicherungsprämien und Transportkosten. Für die Einzahlung von Münzgeld fallen zudem meist noch weitere Bankgebühren an.

Nach der letzten EHI-Studie ist Bargeld zwar pro Transaktion am günstigsten gewesen, allerdings nur knapp. Und in dieser Studie war – wie schon geschrieben – die kontaktlose Kartenzahlung noch nicht berücksichtigt. Mit der nächsten Studie könnte das Bargeld dann wohl schon nur noch zweiter Sieger sein.

3. Kartenzahlung funktioniert nicht überall

Okay, Kartenzahlungen sind also weder langsam noch teuer, aber sie funktionieren halt nicht überall. Kann es doch auch gar nicht an jedem Marktstand und jeder Würstchenbude, richtig? Doch, selbstverständlich!

In anderen Ländern ist das tatsächlich kein Problem. Und hier sprechen wir nicht nur von den bekannten Vorreitern der bargeldlosen Bezahlung wie Schweden, wo man mittlerweile sogar die Kollekte in der Kirche bargeldlos begleichen kann. Nein, auch in den neueren EU-Staaten des ehemaligen Ostblocks wie z.B. Tschechien geht so einiges. Wer in Prag auf den Markt geht oder sich an einer Bude die traditionellen Trdelnik kauft, kann meist ohne Probleme bargeldlos bezahlen.

Mobiles Zahlungsterminal - Nummer 3 der Irrtümer über Kartenzahlungen: Kartenzahlung funktioniert nicht überall.
Dank mobiler Zahlungsterminal von SumUp oder Stripe geht Kartenakzeptanz eigentlich überall (Quelle: Tobias Baumgarten)

Moderne mobile Bezahlsysteme wie die von Stripe oder Sumup machen mobile Kartenakzeptanz überall dort möglich, wo es einigermaßen vernünftigen Empfang im Mobilfunknetz gibt. Diese sind selbstverständlich auch in Deutschland am Start. Es scheitert also nicht an den technischen Möglichkeiten, sondern bestenfalls am mangelnden Willen der Händler.

4. Kartenzahlung ist unsicher

Wenn man in Deutschland auf eines zählen kann, dann ist es die gute, alte ‚German Angst‘ – die Furcht vor allem Neuen und dem technischen Fortschritt im Speziellen. Deshalb hält sich in Deutschland auch hartnäckig die Meinung, Kartenzahlungen seien unsicher. Das gilt insbesondere für die zeitgemäße Art, die kontaktlose Kartenzahlung.

Gerade die öffentlich-rechtlichen Medien überbieten sich leider mit unseriösen Beiträgen zum „Verbraucherschutz“. Diese Beiträge suggerieren, es wäre ein realistisches Betrugsszenario, unbemerkt Geld von den entsprechenden Karten ohne Wissen und Zutun des Besitzers abzubuchen. Dabei setzen die gezeigten Szenarien eine solche Nähe zum potentiellen Opfer voraus, dass ein einfacher Taschendiebstahl ebenso erfolgversprechend wäre.

Hinzu kommt, dass der Täter ein mobiles Kartenterminal nebst Geschäftsgirokonto auf seinen Namen registrieren müsste und jede der missbräuchlichen Kartenzahlungen eine digitale Spur zu diesem Konto legen würde. Das ist in etwa so, als wenn ein Taschendieb seine Visitenkarte in der Jackentasche seines Opfers hinterließe. Leichter könnte man es der Polizei kaum machen.

Das dürfte auch der Grund dafür sein, dass man selbst in den öffentlich-rechtlichen Medien trotz der vielen alarmistischen Warnungen bisher noch keine Berichte über entsprechende Abzockwellen in der realen Welt gehört und gelesen hat.

Wer allerdings auch dieses theoretische Restrisiko ausschalten will, greift einfach auf mobile Bezahlverfahren zurück. Hier kann man die NFC-Funktion abschalten und dann situativ an der Kasse aktivieren. Zudem werden Zahlungen hier meist noch per Fingerabdruck abgesichert.

5. Mit Kartenzahlung verliere ich den Überblick

Wer mit ohne Kreditkarte, Online-Banking und Banking-Apps groß wurde, ist wahrscheinlich auch anfällig für die Nummer 5 unserer Irrtümer über Kartenzahlungen. Angeblich, so heißt es, verliere man mit Kartenzahlungen den Überblick über die eigenen Finanzen. Mit Bargeld dagegen könne man halt nur so viel Geld ausgeben, wie im Portemonnaie ist. So weit, so richtig.

Allerdings dürfte kaum jemand, der so argumentiert, kurze Zeit später noch wissen, wo und wofür er sein Geld ausgegeben hat. Sicher ist nur, dass es weg ist. Mit Kartenzahlungen dagegen wird jeder Zahlvorgang mit Ort, Datum, Uhrzeit und Händler festgehalten und in den Umsätzen dokumentiert.

Alle Kosten im Griff mit der Banking-App vom tomorrow
Mit modernen Banking-Apps wie tomorrow hat man seine Finanzen stets im Blick (Quelle: Screenshot Homepage von tomorrow)

Zeitgemäße Banking-Apps erlauben es sogar, die Umsätze automatisiert zu kategorisieren und damit ein rudimentäres Haushaltsbuch zu führen – ganz ohne zusätzlichen Aufwand. Dank dieser Banking-Apps ist der schnelle Blick auf den aktuellen Kontostand auch nur einen Wisch entfernt.

Das Gegenteil ist also der Fall: mit Kartenzahlung (und den richtigen Banking-Apps) gewinnt man als Nutzer endlich einen detaillierten Überblick über das eigene Ausgabeverhalten.

6. Die Unterschrift schützt den Kunden

Die Kartenzahlung mit Unterschrift ist ein echter Zeitdieb und einer der Gründe für Irrtum Nummer 1. Glücklicherweise ist dieses Verfahren immer stärker auf dem Rückzug. Spannenderweise hält sich unter den Nutzern dieses Verfahrens ein weiterer Irrtum: die Unterschrift diene als Sicherheitsmerkmal dem Schutz des Kunden.

Viele Nutzer glauben tatsächlich, dass die Unterschrift ein alternatives Sicherheitsmerkmal zur PIN sei und die Bank später die Unterschrift prüfen würde. Das ist allerdings Quatsch, denn die Unterschrift kommt beim sogenannten „wilden Lastschriftverfahren“ zum Einsatz. Hier will sich der Händler die Gebühren der Bank für die Zahlungsabsicherung via PIN ersparen und stattdessen einfach eine Lastschrift vom Kundenkonto einziehen. Dabei wird die Unterschrift nicht von der Bank geprüft – die bekommt diese nicht einmal vorgelegt.

Wer sich einmal in Ruhe das Kleingedruckte auf dem Kassenbon durchliest, erkennt, dass er mit seiner Unterschrift der Weitergabe seiner Adressdaten an ein Inkassounternehmen zustimmt, sollte die Lastschrift „platzen“. Er entbindet seine Bank damit teilweise vom Bankgeheimnis. Ohne diese Unterschrift bliebe der Händler auf der geplatzten Lastschrift sitzen und hätte Probleme, den Verursacher auszumachen.

Die Unterschrift dient also ausschließlich dem Händler.

7. Deutschland ist das Land der Barzahler (mit Corona-Update)

Nun haben wir schon sechs Irrtümer über Kartenzahlungen entzaubert, aber eine Gewissheit sollte doch bleiben: Deutschland ist das Land der Barzahler! Dazu muss man sagen: ja, noch. Doch auch diese Gewissheit bröckelt ganz gewaltig.

Richtig ist: auch im Jahr 2018 wurden noch 3 von 4 Zahlungen an Deutschlands Ladenkassen mit Bargeld abgewickelt. Allerdings liegt der Fokus auf den vielen Kleinstzahlungen z.B. beim Bäcker oder in der Eisdiele. Das zeigt auch die Statistik über die durchschnittlichen Warenkörbe je Zahlungsart.

Infografik durchschnittlicher Warenkorb je Zahlungsart
Bargeld für Kleinbeträge, Plastik für die großen Bons (Bild: eigene Grafik)

Zur Wahrheit gehört aber auch: im Jahr 2018 wurde erstmals weniger als 50% des Umsatzes in bar bezahlt. Und der Trend „weg vom Bargeld, hin zur Karte“ ist seit Jahren ungebrochen und geht stetig weiter. Insbesondere das kontaktlose Bezahlen und endlich auch das Mobile Payment werden diesen Trend in den kommenden Jahren noch weiter befeuern.

Die Wocheneinkäufe an der Supermarktkasse werden immer seltener mit Bargeld bezahlt, und auch für kleinere Beträge sinkt die Hemmschwelle für den Karteneinsatz. Sogar immer mehr Bäckerei-Ketten stellen sich mittlerweile auf Kartenzahlungen ein – oftmals ab dem ersten Euro. Das ist auch bitter nötig, denn gerade die Filialen in Supermärkten verbauen sich ansonsten das Potential für Spontankäufe.

Corona sei Dank hat sich dieser Trend im Jahr 2020 massiv verstärkt. Nach einer aktuellen Allensbach-Umfrage zahlen mittlerweile alle Altersgruppen zwischen 16 und 60 Jahren überwiegend per Karte – und gerade bei den jüngeren Kunden ist auch das Smartphone auf dem Vormarsch.

Kartenzahlung in der Bäckerei
Immer mehr Bäckereien setzen auf Kartenzahlung (Quelle: Tobias Baumgarten)

Fazit

Es mag gute Gründe dafür geben, nicht auf Bargeld verzichten zu wollen. Das ist auch gar nicht mein Anliegen. Ein gesunder Wettbewerb zwischen verschiedenen Zahlungsarten ist immer gut und sorgt für niedrige Preise.

Aber nur, wer gut und richtig informiert ist, kann die für ihn beste Bezahlmethode finden. Ich hoffe, dass dieser Artikel über die häufigsten Irrtümer über Kartenzahlungen Euch dabei hilft!

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