Kurs-Chart eines ETF mit exponentiellem Kursanstieg

Der irre ETF Hype durch Trade Republic und Co.

Es sind schon sehr ungewöhnliche Zeiten. Während deutsche Sparer:innen traditionell als Sparbuchliebhaber:innen verschrien waren, geschieht derzeit erdrutschartig ein Wandel. Die Deutschen werden plötzlich zu einem Volk von Fondssparern – getrieben von Discount-Brokern wie Trade Republic und Co.. Der Boom sorgt für so manch irre Übertreibung.

Was den ETF Hype ausgelöst hat

Die neuerliche Aktienhysterie kommt nicht von Ungefähr. Eigentlich dachte man ja, dass die Deutschen nach dem Platzen der Dotcom-Blase zur Jahrtausendwende nie wieder Aktien kaufen würden. Doch das abgelaufene Jahr 2020 sollte alle Spektiker:innen eines Besseren belehren. Anleger:innen rennen Banken, Sparkassen und Online-Brokern die Türen ein und kaufen, als gäbe es kein Morgen. Im Fokus steht ein ETF Hype, der böse Erinnerungen weckt.

Getrieben wird die Rallye an den Kapitalmärkten aktuell vor allem durch zwei Faktoren. Auf der einen Seite sind dort die von den großen Notenbanken künstlich niedrig (teilweise sogar negativ) gehaltenen Leitzinsen. Sie sind die Richtschnur, an der Banken und Anleiheemittenten wiederum ihre Zinsen für Sparer:innen bzw. Anleger:innen ausrichten. Im Nachgang zu Finanzkrise, Staatsschuldenkrise und nun Corona-Krise bewahren die Notenbanken damit die Nationalstaaten vor dem Staatsbankrott.

Auf der anderen Seite stehen die verschiedenen Lockdown-Maßnahmen der Regierungen im Rahmen der Corona-Pandemie. Sie sorgen dafür, dass Menschen Ihr Geld nicht wie gewohnt im Einzelhandel, in Kinos, Restaurants und Bars ausgeben können. Das eingesparte Geld wandert derzeit vermehrt an die Aktienmärkte, weil das Tagesgeldkonto eben keine Zinsen mehr abwirft.

Und weil das Direktinvestment in einzelne Aktien nunmal riskant ist, setzen Anleger:innen richtigerweise auf Fonds. Und dabei in den letzen Jahren immer stärker auf kostengünstige ETFs, die passiv verwaltet einfach stur einen bestimmten Aktienindex nachbilden.

Welche Rolle Trade Republic & Co. spielen

Junge Anleger:innen aus den Generationen Y und Z setzen dabei stark auf Online-Broker und zuletzt neuerdings stark wachsend auf Discount-Broker wie Trade Republic (hier im Test), Scalable Capital oder Smartbroker. Diese Fintechs haben sich den US-amerikanischen Gratis-Broker Robin Hood zum Vorbild genommen. Sie alle ermöglichen en Handel mit Aktien zu extrem niedrigen Gebühren – und überzeugen die junge Zielgruppe mit zeitgemäßer Kommunikation und User Experience.

In der Regel bieten die Discount-Broker komplett gebührenfreie ETF-Sparpläne an – während für klassische aktiv verwaltete Investmentfonds von Banken und Sparkassen schnell 3 – 5% Ausgabeaufschlag und weitere Verwaltungsgebühren zusammenkommen. Für junge Menschen, die mit der Gratiskultur des Internets groß geworden sind, ist die Wahl damit klar. Und so investieren sie mittels Trade Republic und Co. Monat für Monat ihr Geld in die verschiedenen ETFs.

Das ist denn grundsätzlich auch gut. Immerhin empfehlen unabhängige Finanzexperten schon seit langem den kostengünstigen Vermögensaufbau per ETF. Allerdings sorgen die Anlagegewohnheiten der neuen Generationen für gehörige Verwerfungen an den Märkten. Denn wie DIE WELT kürzlich berichtete, lassen sich die neuen Anleger:innen weniger von Zahlen, als von Marken leiten. Und das hat Auswirkungen.

Wenn der Hype den Hype befeuert

Bei Aktien ist eine solche Übertreibung relativ einfach zu erkennen. Sehr eindrücklich sieht man das bei der Rallye von Tesla. Die Marke des charismatischen Gründers Elon Musk hat unter jüngeren Menschen einen Ruf wie Donnerhall. Entsprechend drängen sie in die Aktie, die einen Rekord nach dem nächsten bricht. Und je stärker der Kurs steigt, desto mehr wird gekauft. Der Hype nährt den Hype. Es herrscht FOMO, die „Fear of missing out“ – also die Angst, etwas zu verpassen.

Zum Zeitpunkt dieses Artikels wird Tesla an der Börse mit knapp 660 Mrd. Euro bewertet. Das entspricht dem Börsenwert von SAP, Linde, Siemens, Allianz, Volkswagen, Dt. Telekom und BASF zusammen. Immerhin den aktuell sieben wertvollsten deutschen Aktien. Oder anders gerechnet: etwa dem 650-fachen des für 2020 erwarteten Gewinns. Selbst für Wachstumswerte eine absurd hohe Bewertung.

Der irre Hype um grünen ETF

Ähnliches passiert auch im Bereich der ETFs. Und vor dem Hintergrund von #FridaysForFuture gern mit Fonds, die in „grüne“ Technologien investieren. Allerdings sind hier die Übertreibungen nicht auf den ersten Blick ersichtlich, wenngleich manche Kursrallye auch hier misstrauisch machen sollte. Selbst erlebt habe ich das beispielsweise mit dem „iShares Global Clean Energy UCITS ETF USD“ von Blackrock, der bei Trade Republic rege gehandelt wird.

Der Fonds strebt die Nachbildung der Wertentwicklung eines Index an, der aus 30 der größten Unternehmen weltweit besteht, die im Sektor der sauberen Energie tätig sind.

Beschreibung des Fonds in der App von Trade Republic
Das Börsenchart des ETF Global Clean Energy auf Monats-, Jahres- und Gesamtsicht
Das Kurschart des ETF „Global Clean Energy“ auf Monats-, Jahres- und Gesatmtsicht (Quelle: Screenshot aus der App von Trade Republic)

Die massiven Kurssteigerungen auf Jahressicht fallen schon sehr ins Auge. Spätestens, wenn man sich die Kursentwicklung über die gesamte Laufzeit des Fonds anschaut. Über mehrere Jahre pendelte der Kurs des ETF zwischen 4 und 5 Euro. Mit Fridays for Future kam dann der erste Run, der allerdings durch Corona im März jäh abgewürgt wurde. Was anschließend folgte, war ein Börsenmärchen, das sich hinter dem Tesla-Hype kaum verstecken braucht (siehe die Charts).

Nun könnte man sagen, dass grüne Energie eben auch die Zukunft ist. Richtig, dennoch lohnt sich ein genauerer Blick in das Portfolio des Fonds. Unter den Positionen des ETF findet sich mit Siemens Gamesa nur ein Name, der in der breiten Öffentlichkeit überhaupt bekannt ist. Branchenkennern dürften zudem der Versorger Verbund AG, der Windanlagenbauer Vestas und First Solar etwas sagen. Die restlichen Beteiligungen kennen wohl nur wenige überhaupt.

Die Tabelle zeigt die 10 größten Positionen des iShares Global Clean Energy ETF

Probematisch dabei ist die Kombination aus hohen Kapitalzuflüssen in den ETF in Kombination mit den zuvor sehr überschaubaren Börsenwerten der wesentlichen Positionen des Fonds. Laut iShares hat der Fonds per 15.01.2021 ein Gesamtvolumen von knapp 6,5 Mrd. USD. Die meisten Beteiligungen hatten vor der großen Rallye seit März 2020 allerdings Börsenwerte von deutlich unter 10 Mrd. USD.

Plug Power verdeutlicht den ETF Hype

Besonders krass zeigt sich das an der größten Fondsposition, dem US-Wasserstoff-Spezialisten Plug Power. Zum 16.03.2020 lag der Aktienkurs bei 2,68 Euro und der Börsenwert damit bei gerade einmal 1,25 Mrd. Euro. Mittlerweile hat sich der Kurs auf 49,73 Euro fast verneuzehnfacht, der Börsenwert liegt bei 23,2 Mrd. Euro.

Natürlich liegt Wasserstoff für die E-Mobilität aktuell voll im Trend. Allerdings dürfte der Kursanstieg zu einem großen Teil auch an einer sich selbst verstärkenden Verkettung liegen, die Blasen geradezu proviziert. Das betrifft insbesondere enge Märkte, denen plötzlich sehr viel Liquidität zufließt.

Die Grafik zeigt einen selbstverstärkenden Kreislauf: 1. Geld fließ in den ETF, 2. ETF muss Aktien kaufen, 3. Kurs der Aktien steigt, 4. Wert der Fondsanteile steigt, 5. noch mehr Anleger:innen werden aufmerksam

Zu Beginn fließt viel neues Geld in den ETF, weil das Thema bei der jungen Zielgruppe gut ankommt. Der Fonds muss von diesem Geld die entsprechenden Aktien (oder Derivate darauf) erwerben und sorgt damit für eine erhöhte Nachfrage nach diesen Aktien. Diese weisen anfangs eine vergleichsweise geringe Marktkapitalisierung auf und das Angebot ist entsprechend überschaubar. Der plötzliche starke Nachfrageüberhang sorgt für einen spürbaren Kursanstieg der betreffenden Aktie(n). Mit steigendem Aktienkurs erhöht sich auch der Wert der Fondsanteile. Das wiederum macht den Fonds für mehr Menschen attraktiv, es fließt noch mehr Geld in den Fonds und der Kreislauf beginnt mit noch mehr Schwung von vorn.

Die Suchfunktion der App von Trade Republic empfiehlt beliebte ETFs wie den Global Clean Energy
Die Suchfunktion der App von Trade Republic empfiehlt beliebte ETFs wie den Global Clean Energy (Quelle: Screenshot Trade Republic-App)

Der Hype nährt also den ETF Hype. Die neuen Fintech-Broker befreuern diesen Trend noch stärker, als es vor ihrer Zeit der Fall war. Trade Republic zeigt auf seiner Suchübersichtsseite beispielsweise beliebte ETFs und macht damit seine Kundschaft auf Fonds aufmerksam, die aktuell ohnehin schon viel gehandelt werden. Damit kanalisieren sie Anlageströme und werden zum Brandverstärker – in die eine wie die andere Richtung.

Wenig erstaunlich steht der „iShares Global Green Energy“ seit längerer Zeit ganz oben in dieser Liste. Das Fintech animiert damit seine Nutzer:innen dazu, sich diesen ETF einmal genauer anzuschauen. Die steile historische Wertentwicklung dürfte dann nicht wenige zum Kauf bewegen. Auch wenn der gesunde Menschenverstand hier die Alarmglocken schrillen lässt: die FOMO dürfte in vielen Fällen trotzdem siegen. Und der ETF Hype geht weiter.

Droht uns ein Dotcom 2.0?

Wie bereits eingangs geschrieben, erinnert die aktuelle Situation zumindest die Älteren unter uns stark an die Zeit um die Jahrtausendwende. Auch dort ging es um neue, die Welt verändernde Technologie. Auch damals stiegen Kurse von entsprechenden Unternehmen rasant und schier unaufhörlich. Menschen, die bis dahin ihrem Sparbuch treu geblieben waren, drängten plötzlich an die Börsen.

Deutschland schien damals für kurze Zeit so etwas, wie eine „Aktienkultur“ aufzubauen, wie sie insbesondere in der anglo-amerikanischen Welt weit verbreitet ist. Damals allerdings blähte sich durch das viele „stupid money“ eine gewaltige Spekulationsblase auf, deren Platzen viele hunderte Milliarden Euro an investiertem Vermögen davon geblasen hat. Und einen verheerenden Flurschaden an der gerade aufkeimenden Aktienkultur angerichtet hat.

Dass es auch dieses Mal so weit kommen muss, ist nicht gesagt, auch wenn einige Warnsignale dafür sprechen. Heute wie damals herrscht eine Goldgräberstimmung und viele schlecht informierte Neu-Anleger:innen stürmen an die Märkte. Kurse von gehypten Aktien steigen auf absurde Bewertungen, immer in der Hoffnung, dass sich der steile Aufwärtstrend weiter fortsetzt. Hinzu kommt, dass es heute dank Trade Republic und Co. einfacher als jemals zuvor ist, am Kapitalmarkt mitzumischen. Und das oftmals ohne eine menschliche Beratung, die einen vor den Gefahren warnt (positive Ausnahme: Scalable Capital bietet einen ETF-Ratgeber und Webinare für Interessierte an).

Dazu kommt die große Unsicherheit durch die Corona-Pandemie, die je nach weiterer Entwicklung das Potential hat, Kurse massiv durcheinander zu wirbeln. Der einzige Lichtblick sind derzeit paraxoderweise die internationalen Notenbanken. Durch die anhaltende Niedrigszinspolitik drängen sie die Menschen zwar vom Tagesgeldkonto an die Kapitalmärkte. Gleichzeitig überschwemmen sie den Markt aber auch mit Liquidität und treten mittlerweile selbst bei Aktien als Käufer in Aktion. Die Hoffnung für Anleger:innen könnte daher sein, dass sie auch bei einem Platzen der Blase für Hilfe sorgt. Ein Moral Hazard erster Güte, aber leider nicht ohne Beispiel in der jüngeren Geschichte.

Fazit

Der aktuelle ETF Hype an den Kapitalmärkten wird durch die jungen Dicountbroker nochmals verstärkt. Das sorgt in einigen Marktsegmenten für bedenkliche Fehlentwicklungen und nährt die Sorge vor einer Blase, die platzen könnte. Die Hoffnung ruht auf den Notenbanken, die im Fall der Fälle Feuerwehr spielen könnten.

Takeaway für Banken und Sparkassen
Die Stärke der Discountbroker könnte bei einem Platzen der Blase zu ihrer Schwäche werden: es gibt keine Beratung, wie Anleger:innen handeln sollten. Hier kann eine große Chance für beratungsstarke Banken und Sparkassen liegen, in persönlichen Gesprächen mit guter Beratung die richtigen Entscheidungen zu treffen. Voraussetzung dafür sind bestens ausgebildete Berater und eine hohe Verfügbarkeit auch über digitale / mediale Kanäle.

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