Banken bedroht durch Internetkonzerne

Banken und Sparkassen stehen vor großen Herausforderungen durch die Digitalisierung. Aus eigener Kraft tun sich viele von Ihnen dabei schwer, mit dem Innovationstempo schlanker, wendiger Fintechs mitzuhalten. Diese könnten allerdings ohnehin mehr Helfer als Gegner sein. Denn die größte Bedrohung dürften langfristig vielmehr die großen Technologieriesen aus den USA und China sein. Das WEF warnt die Banken nicht umsonst vor einer Zusammenarbeit mit Google, Amazon & Co.

Eigentlich haben Banken und Sparkassen lange Zeit sehr viel richtig gemacht. Die Finanzbranche war eine der ersten, die in großem Stil auf Großcomputer setze, um die bankinternen Prozesse zu beschleunigen. Mit Geldautomaten und Kontoauszugsdruckern wurde das kostensparende Potential der Automatisierung frühzeitig und umfangreich genutzt.

Später dann konnten Kunden via Btx bereits Home Banking nutzen, lange bevor sich das Internet überhaupt richtig durchgesetzt hatte. Und als es dann Mitte der 1990er-Jahre seinen Siegeszug antrat, waren die Banken und Sparkassen mit dem Online Banking für die täglichen Bankgeschäfte zur Stelle. Die Banken als die Avantgarde der Digitalisierung – aus heutiger Sicht klingt das geradezu unglaublich.

Banken haben die Digitalisierung ab 2007 verschlafen

Der Grund dafür liegt nunmehr etwa zehn Jahre zurück und könnte mit einigem guten Willen als unglückliche Verkettung mehrerer Umstände ausgelegt werden. Denn im Jahr 2007 kam mit dem iPhone von Apple das erste kommerziell erfolgreiche Modell eines Smartphones auf den Markt. Mit ihm und dem mobilen Internet hatten nun immer mehr Menschen weltweit einen vollwertigen mobilen Computer in der Hosentasche.

Der Siegeszug der Smartphones war der Ausgangspunkt einer weiteren industriellen Revolution und die technologische Grundlage für das Aufkommen der Fintechs. Anders als bei den technischen Errungenschaften der Vergangenheit, haben die Banken und Sparkassen den Megatrend ‚mobile‘ allerdings ordentlich verschlafen.

Die Gründe dafür sind hinlänglich bekannt: in der weltweiten Finanz- und Bankenkrise hatten die Kreditinstitute kurzfristig und mittelfristig existenzielle Probleme zu bewältigen.  Es ging um das nackte Überleben der Geldhäuser  und zeitweise um das finanzielle Schicksal ganzer Staaten – deren Finanziers wiederum die Banken waren und noch bis heute sind.

Fintechs sind in die Lücke gestoßen

In diesem Krisenmodus befindet sich die globale Finanzszene auch heute noch. In aktuellen Umfragen sehen die meisten Bankvorstände auch heute noch Regulierung und Niedrigzinsen als die drängendsten Bedrohungen an – Fintechs und die Digitalisierung dagegen verbreiten nur wenig Schrecken. Und so entstand eine große Lücke zwischen den Erwartungen der digitalen Avantgarde unter den Kunden und den Angeboten der Banken.

In einem Geschäft, in dem es um so viel Geld geht, wie in der Finanzbranche, bleibt so eine Lücke nicht lange unbesetzt. Fintechs nutzen die Gunst der Stunde, frei von verkrusteten Strukturen und ohne Legacy-Systeme auf der grünen Wiese neue, digitale Angebote zu entwickeln. Die negativen Auswirkungen der Finanzkrise auf der Kundenvertrauen und die neue Offenheit der Kunden gegenüber alternativen Lösungen waren dabei ebenso hilfreich wie die Untätigkeit der Banken.

Banken und Fintechs suchen den Schulterschluss

In der ersten Fintech-Welle versuchten die Startups noch unter dem Schlachtruf „unbundling banks“ die traditionellen Banken tatsächlich abzulösen und überflüssig zu machen. Dabei mussten sie aber sehr schnell realisieren, dass es mit bloßer Technik allein in einer so sensiblen Branche nicht getan ist. Kaum jemand vertraut einem kleinen Startup einfach so sein Geld an – und so schafft es kaum ein Fintech aus dem Stand, eine kritische Masse an Kunden zu gewinnen.

Viele Fintechs machen daher längst eine Rolle rückwärts und suchen den Schulterschluss mit den Geldhäusern. Die Kooperationen sind für beide Seiten von Vorteil: die Startups bringen Innovationen in die Branche und die Banken bürgen dem Kunden gegenüber mit ihrem guten Namen. Das eigene Endkundenangebot der Fintechs verkommt dabei zum ‚Proof of concept‘ und die Startups werden zum Technologiedienstleister der Banken. Am Ende gewinnen alle.

Das WEF warnt vor anderem Gegner

Das ist auch bitter nötig für beide Seiten, denn im Becken mit den Banken-Haien und den Fintech-Piranhas schwimmt noch eine größere Gattung, vor dem mittlerweile auch das World Economic Forum die Banken warnt: GAFA. Das Akronym aus Google, Amazon, Facebook und Apple steht stellvertretend für die großen Technologieriesen und meint im weiteren Sinne auch Firmen wie Microsoft, PayPal, Alibaba und TenCent/WeChat. Für die Banken sind sie mittlerweile zu einem wichtigen Partner geworden – allerdings längst nicht mehr zu einem Partner auf Augenhöhe. Die Kreditinstitute  geraten mehr und mehr in eine echte Abhängigkeit von den Riesen die an der Börse meist wertvoller sind als die Banken selbst.

Apple und Google sind die beiden großen Gatekeeper für jede Bank, die ihren Kunden Mobile Banking anbieten möchte. Insbesondere Apple erweist sich hier als strenger Prüfer. Und so sind die Banken mittlerweile nicht mehr souverän, sondern von Freigaben seitens Apple abhängig.

An Google & Co. kommt man nicht vorbei

Wenn es um die Kundenakquise geht, beginnt die sogenannte ‚Customer Journey‘ auch in finanziellen Angelegenheit mittlerweile eigentlich immer in der Google Suche und vermehrt auch auf Facebook. Während die Banken im bezahlten Advertising weiterhin über ihre Marketingbudgets an ihre Kunden heran kommen, sitzen sie bei der organischen Suche vor einer Blackbox. Welche Bank dem Kunden als erstes präsentiert wird, wenn er nach einer Baufinanzierung sucht, entscheidet der Google-Algorithmus. Und ob die eigenen Facebook-Fans den neuesten Post in ihrer Timeline angezeigt bekommen, entscheidet der Algorithmus von Facebook.

Nicht zu vergessen sind darüber hinaus Amazons Web Services, auf die Banken für Cloud-Dienste vertrauen oder neuartige Kundeninterfaces wie Amazons Alexa, die mit ‚Voice‘ einen völlig neuen Zugangskanal zu Dienstleistungen bietet. Aber auch Machine Learning-Angebote von IBM oder Google.

Für GAFA ist Banking nur Nebenprodukt

Die Banken werden also zu Bittstellern und abhängigen Kunden der großen Internetkonzerne. Die wiederum kommen ihren Kunden mittlerweile in immer mehr Geschäftsfeldern ins Gehege. So bieten Apple und Google für ihre jeweiligen mobilen Betriebssysteme eigene Mobile Payment-Dienste an und besetzen damit das Kunden-Frontend beim Bezahlen an der Ladenkasse. Facebook wiederum bietet in seinem Messenger Peer-to-Peer Zahlungen an und Amazon vergibt unter anderem Kredite für die Warenfinanzierung an die Händler auf seinem Marketplace. Und in vielen Ländern Asiens und Afrikas, in denen das Finanzsystem deutlich weniger entwickelt ist, bieten die Technologieriesen vielen Bürgern überhaupt erst den Zugang zu Finanzdienstleistungen.

Allerdings machen die Internetkonzerne das nicht, weil sie die Banken ersetzen und breit ins Bankgeschäft einsteigen wollen. Stattdessen bieten sie jeweils nur solche Dienste an, die ihr jeweiliges Ökosystem sinnvoll  erweitern und das Potential haben, die Kundenbindung zu erhöhen. Ziel ist es nicht, mit den Bankdienstleistungen große Profite zu erwirtschaften – was ja nicht einmal mehr die traditionellen Banken wirklich schaffen. Stattdessen ist Banking für sie nur ein Nebenprodukt, mit dem das Geschäft mit dem eigentlichen Kernprodukt befeuert werden soll.

Umsatz- und Marktanteilsverluste für die Banken sind damit mehr ein Kollateralschaden, als pure Absicht. Das macht es denn auch so schwer für die Banken, angemessen auf diese Bedrohung zu reagieren. Denn mit jemandem, der mit einer Funktion gar kein Geld verdienen will, kann man nur schwerlich in Konkurrenz treten. Und mit PSD2, Open Banking und Machine Learning werden die Umsatzdaten der Kunden für die Technologieriesen noch interessanter.

Die Banken haben kaum eine Wahl

Nun warnt das World Economic Forum also die Banken davor, sich zu sehr in die Hände der Internetriesen zu begeben. Das ist sicherlich eine gut gemeinte Warnung. Immerhin könnten diese mit ihrer großen Erfahrung in der Auswertung und Nutzung von großen Datenmengen den Kunden attraktive Angebote auch im Banking machen und sich die Rosinen herauspicken.

Das mag sogar richtig sein, denn wie oben beschrieben tun sie das bereits heute. Allerdings bleibt den Banken auch kaum eine andere Wahl. Sie sind auch nicht die einzige Branche, die vor diesem Dilemma steht. Was bleibt den Banken denn anderes übrig? Ein eigenes mobiles Betriebssystem entwickeln? Eine eigene Suchmaschine oder eine eigene Social Media-Plattform? Das wird nicht funktionieren!

Und so bleibt den Banken gar nicht anderes übrig, als weiterhin mit den großen Internetkonzernen zu kooperieren. Alles andere wäre betriebswirtschaftlicher Unsinn. Allerdings müssen sie dringend Geschwindigkeit aufnehmen, was die Entwicklung innovativer und kundenfokussierter Angebote angeht. Und genau hier könnten die Fintechs der Retter der Banken sein.  Mit Hilfe der Startups können sie deutlich schneller Innovationen an den Kunden bringen und damit die Kundenbindung hoch halten.

Die Banken müssen sich neu erfinden

Klar ist aber auch, dass es mit einem ‚weiter so‘ nicht getan ist. Hinlegen und weiterschlafen wird die Banken direkt in den Untergang führen. Stattdessen werden sich die Kreditinstitute neu erfinden müssen. IT wird dabei aus ihrer bisherigen Nische als Kostenstelle herauskommen und muss ins Zentrum gestellt werden. Die Banken müssen sich auch vom Mindset her stärker als Technologieunternehmen verstehen, dem die Kunden neben ihrem Geld auch ihre Daten anvertrauen.

Genau hier – nämlich beim Vertrauen – liegt bisher noch das große USP der Banken. Während die Technologieriesen als Datenkraken verschrien sind, genießen die Kreditinstitute  in aktuellen Umfragen noch immer das größte Vertrauen seitens der Kunden, dass deren sensiblen Daten bei ihnen in sicheren Händen sind. Und diese Daten werden sie im Auftrag des Kunden einerseits sicher verwahren, andererseits aber auch in seinem Sinne analysieren und veredeln. Einige Fintechs haben hier bereits ihre Chance gewittert und dienen sich den Banken hier als Technologiedienstleister an. Unternehmen wie aboalarm oder fino orientieren sich von ihren bisherigen B2C-Angeboten immer stärker in Richtung B2B.

Ein vielfältiges Spektrum an Dienstleistungen gegenüber den Kunden wäre hier denkbar. So könnten aus der Analyse der Umsatzdaten Einsparpotentiale für den Kunden abgeleitet und aufgezeigt werden. Das eingesparte Geld könnte dann sogleich für den Vermögensaufbau genutzt werden. Interessant wären auch hochsichere Dokumentenspeicher, digitale Identitätsdienste oder Wallets zur sicheren Aufbewahrung von Private Keys von Kryptowährungen.

Aber man muss das Rad nicht neu erfinden

Um diesen strukturellen Wandel in der Branche zu bewerkstelligen, muss sich sehr viel im Selbstverständnis der Banken und Sparkassen ändern. Dazu wird auch gehören, sich schweren Herzens von derzeitigen Cash Cows zu trennen, die aber mittel- bis langfristig keinen nennenswerten Ergebnisbeitrag mehr liefern werden.

Um das technische Know-How aufzubauen, wird sich die Einstellungspraxis der Kreditinstitute stark verändern. Gesucht werden künftig Developer, UX-Designer, Data Engineers und Scrum-Experten. Aber die wachsen nicht auf Bäumen und sind heiß umworben. Es wird also dauern, bis sich hier substanzielle Änderungen in den Banken zeigen. Um den Wandel dennoch zügig voranzutreiben, werden Kooperationen mit Fintechs, aber auch mit den Technologieriesen ein probates Mittel sein.

Nicht zuletzt auch deshalb, weil es grundsätzlich wenig Sinn macht, in jeder Hinsicht das Rad neu erfinden zu wollen. Sicher: im Kerngeschäft muss man sich strategisch selbst erneuern, aber für die operative Umsetzung sind Google, Amazon & Co. sicherlich gute Partner mit langjähriger Erfahrung auf ihrem Gebiet.

Fazit

Die Banken und Sparkassen stecken inmitten eines gewaltigen Umbruchs ihrer Branche. Viel stärker noch, als die vielen kleinen Fintechs, bedrohen die großen Internetkonzerne ihr Geschäft. Um weiterhin bestehen zu können, werden sie sich neu erfinden müssen. Wenn sie es schaffen, sich strategisch neu aufzustellen, können die vermeintlichen Gegner aber auch weiterhin gute und verlässliche Partner der Banken bleiben. Ein Koexistenz, die für alle Beteiligten von Vorteil sein könnte.

Dieser Artikel erschien  zunächst als Gastartikel auf ‚Betriebswirtschaftliche Blätter‘.

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