Scheitern – was Banken von Fintechs lernen sollten

Diese Woche ist mir mal wieder ganz unverhofft eine Erkenntnis gekommen. Sie dreht sich um etwas, das die Banken nie vernünftig gelernt haben, aber unbedingt von Fintechs lernen sollten. Es geht um das Scheitern – und wie man damit umgeht. Darauf gebracht hat mich meine kleine Tochter.

Scheitern als normaler Bestandteil des Lernens

Was war geschehen? Meine Tochter hatte neulich zum ersten Mal Werkunterricht in der Schule und sollte – ebenfalls zum ersten Mal – etwas Schönes aus Ton herstellen. Da sie in Sachen Kunst und handwerklichem Geschick ganz nach ihrem Vater kommt, ging die Sache allerdings gründlich daneben. Der versuchte Eierbecher fiel in sich zusammen und der Versuch eines lustigen Gesichts blieb am Tisch kleben und riss bei einer verunglückten Rettungsaktion. Als sie mir am Abend davon erzählte, war sie den Tränen nahe und behauptete steif und fest, dass sie das einfach nicht könne.

Und was machte ich? Ich fragte sie, ob sie denn wisse, woran es gelegen hatte. Und sie erzählte mit, dass sie den Ton beim Eierbecher zu dünn geformt hatte und das lustige Gesicht direkt am glatten Tisch festgeklebt sei. Zu ihrem (und meinem eigenen!) Erstaunen beglückwünschte ich sie. Und wozu? Zum Scheitern. Und ich erklärte ihr, dass sie glücklich sein sollte – weil sie heute in einer einzigen Schulstunde gleich zweimal etwas gelernt hatte – aus ihrem Scheitern. Die anderen dagegen hatten offenbar nur das abgerufen, was sie vorher schon konnten.

Banken haben keine Fehlerkultur

Was hat das nun alles mit Banken und Fintechs zu tun? Ganz einfach: diese kleine Anekdote zeigt sinnbildlich, wie unterschiedlich man mit so einer simplen Sache wie dem Scheitern umgehen kann – und dass das alles nur eine Sache des Mindsets ist. Meine Kleine war dabei ganz auf Bankenlinie. Denn in Banken macht niemand einen Fehler. Und falls doch, ist das alles gleich ein Riesendrama. Und eine Blamage für denjenigen, der den Fehler gemacht hat. Das Getuschel der Kollegen in der Mittagspause ist einem damit für die nächste Zeit sicher.

Die Fehlerkultur in Banken – aber wohl auch in vielen anderen großen Unternehmen – ist tatsächlich meist stark unterentwickelt. Und selbst das ist oftmals schon schmeichelhaft formuliert. Aber wo Scheitern eine Schande ist, werden sich die Mitarbeiter immer davon hüten, Risiken einzugehen. Das mag wünschenswert sein, so es um unkalkulierbare Risiken geht, welche die Existenz der Bank gefährden würden. Es ist aber mindestens schade immer dann, wenn es um kalkulierbare Risiken, die bei innovativen Prozessen einfach dazu gehören.

Und so prägt diese schlechte Fehlerkultur das Mindset der Bank und ihrer Mitarbeiter und sorgt dafür, dass innovative Ideen gar nicht erst auf den Tisch kommen – und falls doch, werden sie regelmäßig umgehend verrissen und abgewählt. Man könnte ja scheitern. So ist man zwar auf der sicheren Seite – aber Innovation hat in so einem Umfeld keine Chance. Kein Wunder, dass Fintechs aktuell die Finanzbranche aufmischen und viele Banken nur staunend am Spielfeldrand stehen und zuschauen.

Fintechs scheitern oft, aber schnell

Denn die Fintechs leben – wie andere Startups auch – vom (mal mehr, mal weniger) kalkulierten Risiko, sie scheuen es nicht. Entscheidend ist dabei der proaktive Umgang mit dem Scheitern und die Learnings daraus. Fail fast, fail often. In Fintechs werden Produkte und Angebote seltenst von Anfang bis Ende durchgeplant. Stattdessen gibt es eine Idee, die in vielen kleinen Sprints in Richtung eines minimum viable product entwickelt und auf dem Weg dorthin immer wieder Tests unterzogen wird. War die Entwicklung innerhalb eines Sprints Mist, dann wird schnell realisiert und analysiert, was schlecht gelaufen ist – und daraus gelernt für den nächsten Sprint.

Das wiederholte Scheitern im kleinen Rahmen ist hier gerade keine Schande, sondern generiert wertvolle learnings für die Zukunft. Dieses agile Vorgehen sorgt dabei für eine geringe Fallhöhe bei Fehlern, so dass diese weniger stark ins Gewicht fallen. Fintechs machen also insgesamt mehr Fehler, bügeln diese aber schnell wieder aus. Banken dagegen entwickeln so lange an Produkten herum, bis ein Zurück oder eine Kurskorrektur nur mit einem gewaltigen Gesichtsverlust für die Beteiligten möglich ist. Deshalb werden dann Projekte wie die z.B. Geldkarte jahrelang am Leben gehalten, obwohl sie vom Markt längst verworfen wurden.

Das kostet die Banken viel Geld und den beteiligten Mitarbeitern kostet es die Motivation. Deshalb liebe Banken: schaut euch von den Fintechs den Umgang mit dem Scheitern ab. Eure Kunden werden es euch danken.

Veröffentlicht in Meinung und verschlagwortet mit , , , .

2 Kommentare

  1. Großartig formuliertes Zusammenspiel der aktuellen Situation in Banken, Fallhöhen und der von uns an unsere Kinder vermittelte Drang, alles beim ersten Mal richtig machen zu müssen. Agile Projektarbeit ist zwar bereits in den Entwicklungsalltag der Banken eingezogen nur unterliegen sie noch der alt bewerten Fallhöhe basierend auf der Budgetvergabe und Einzelverantwortung von Projektleitern.
    Ich würde es sehr begrüßen, wenn Scheitern als Teil der innovativen Entwicklungsarbeit ein kalkulierbarer Bestandteil des Lebenszykluses eines Projektes sein könnte.

    • Hallo Sascha,

      vielen Dank für Deinen Kommentar. Ich fürchte, das ist einfach das deutsche Mindset, habe aber die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass da vielleicht mal eine neue Generation nachwächst, die ein entspannteres und bewussteres Verhältnis zum Scheitern hat.

Kommentare sind geschlossen.