Meinung – Nur Bares ist Wahres?

Deutschland ist ein Land der Bargeld-Liebhaber – das war schon immer so und wird wohl auch noch lange so bleiben. Und so verstehen die Deutschen bei diesem Thema ebenso wenig Spaß, wie bei Tempolimits oder der Sportschau. So ist es nicht verwunderlich, dass verschiedene Gedankenspiele rund um das Bargeld die Volksseele in den letzten beiden Wochen zum Kochen gebracht haben.

Was war passiert?

Zunächst hatte sich der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, John Cryan, im Rahmen des Weltwirtschaftsforums in Davos zu der gewagten Prognose hinreißen lassen, dass es in 10 Jahren kein Bargeld mehr gebe: zu ineffizient, zu teuer und überhaupt der Treibstoff der Schattenwirtschaft und organisierten Kriminalität. In der selben Woche wurde bekannt, dass sich der Einzelhandel in Kleve, einer Kleinstadt an der niederländischen Grenze, eben aus Kostengründen dazu entschlossen hat auf freiwilliger Basis an der Kasse kaufmännisch auf volle 5 Cents auf- oder abzurunden.

Ziel war es, die betriebs- und volkswirtschaftlich überflüssigen 1- und 2-Cent-Stücke loszuwerden (siehe Newsflash Nr.04). Wurde Cryans Aussage noch spöttisch begleitet und den Klever Händlern versteckte Preiserhöhungen angedichtet, war es die SPD, die das Fass zum Überlaufen und die Debatte verselbständigt hatte: durch den Vorschlag, den 500-Euro-Schein abzuschaffen.

Als dieser Vorschlag dann in der Folgewoche von der EZB aufgegriffen wurde, setzte die Bundesregierung nach und forderte zusätzlich für Deutschland eine Obergrenze für Barzahlungen von 5.000 Euro – einer Obergrenze, wie sie in vielen anderen Ländern der Euro-Zone seit Jahren üblich ist (siehe Newsflash Nr.05). Beide Vorschläge wurden wesentlich mit dem Kampf gegen Geldwäsche und Schattenwirtschaft begründet: Terroristen und Drogenhändlern sollte es so schwerer gemacht werden, ihr Schwarzgeld zu verstecken oder in den legalen Wirtschaftskreislauf einzubringen.

Die Bargeld-Debatte verselbständigt sich

Spätestens ab diesem Zeitpunkt hatte sich die Debatte verselbständigt: Hardlinern wie Transparency International waren die Forderungen nicht streng genug, schließlich gelten in anderen Ländern strengere Obergrenzen. Andere verwiesen darauf, dass in anderen Ländern deutlich kleinere Banknoten im Umlauf seien: in den USA ist der 100$-Schein, in Großbritannien sogar die 50£-Note das Höchste der Gefühle. Gegner dieser Vorschläge witterten gleich die Abschaffung allen Bargeldes und warten vor Diktatur und Überwachungsstaat. Auch der russische Schriftsteller Dostojewski wurde in diesen Zusammenhang (irreführend) zitiert: „Geld ist geprägte Freiheit.“

Redakteure aller großen Zeitungen des Landes fühlten sich in dieser Debatte ebenso berufen, wortreich Stellung zu beziehen wie Blogger, (ehemalige) Politiker und Verfassungsrichter und Verschwörungstheoretiker – letztere insbesondere in den Kommentarforen jeglicher Zeitungs-Homepages. (Fast) Allen gemein war dabei ein erschreckend totalitäres Weltbild, das zwischen beiden Extremen, zwischen Schwarz und Weiß, zwischen Gut und Böse keine Zwischenstufen kannte. Nur Bares ist Wahres! Oder eben gerade nicht. Und wehret den Anfängen!

Abschaffung der Kleinstmünzen sachlich betrachtet

Die Abschaffung der der 1- und 2-Cent-Münzen wäre sowohl volks- als auch betriebswirtschaftlich vollkommen sinnvoll und nachvollziehbar. Zunächst einmal haben diese beiden Münzen einen so geringen Gegenwert, dass es nicht möglich ist, mit einem dieser Geldstücke eine Ware zu kaufen. Unter 5 Cent geht selbst bei einzelnen Gummibärchen am Kiosk im Schwimmbad nichts. Zudem kosten die beiden Kleinstmünzen in Herstellung und Logistik mehr, als sie selbst wert sind – volkswirtschaftlich also völlig unsinnig. Und auch betriebswirtschaftlich sind sie für den Handel ein Verlustgeschäft – EU sei dank!

Denn mit der EU-Verordnung zur Bekämpfung von Falschgeld wurden die Banken regelrecht dazu gedrängt, das Münzgeld-Handling für teuer Geld an externe Dienstleister zu geben. In der Folge entstehen Kosten, welche die Banken an die Kunden weitergeben. Und so kosten die Einzahlung einer Rolle 1-Cent-Münzen (im Gegenwert von 50 Cent) den Händler je nach Bank zwischen 30 und 50 Cent.
Was spricht für die Kleinmünzen? Außer Nostalgie und dem sentimentalen Spruch „Wer den Pfennig nicht ehrt,…“ irgendwie nichts.

Der pinke Riese ist ein Geist

Die 500-Euro-Scheine sind eine andere Sache, hier gilt: jeder kennt ihn, aber k(aum)einer hat ihn je live gesehen. Woran liegt das, obwohl er doch vom Wert her für 307 Mrd. Euro des Gesamtumlaufes von 1.083 Mrd. Euro steht? SPD und Notenbank würden wohl sagen, dass er halt nur für krumme Geschäfte genutzt wird und die ehrlichen Bürger ihn daher gar nicht kennen. Ganz objektiv betrachtet dürfte es aber vielmehr daran liegen, dass der 500-Euro-Schein für die Anschaffungen des täglichen Lebens völlig unpraktisch ist. Wer schon einmal erlebt hat, wie schwer es ist allein mit einem 100er zu bezahlen, kann sich vorstellen, wie viel schwerer es sein muss, mit dem 500 zu bezahlen. Zu groß die Angst der Geschäfte, hier vielleicht Falschgeld zu bekommen. Und noch größer die Bedenken, bei einem kleinen Einkaufskorb vermutlich seinen kompletten Wechselgeldbestand an einen Kunden rausgeben zu müssen.

Fakt ist: im Alltag würde kaum jemand den 500er vermissen. Beliebt ist der Schein vermutlich auch nicht bei Drogendealern und Terroristen, die gern von der Politik als Grund für seine Abschaffung herangezogen werden – vielmehr dagegen aber bei Steuersündern und in der Schattenwirtschaft. Wer sein Schwarzgeld möglichst unauffällig in bar über die Grenze schmuggeln will, ist auf den 500er angewiesen und wer es zu Hause oder im Banksafe verstecken will, ist ebenfalls von seiner hohen Wertdichte begeistert.

Schränkt uns diese Bargeld-Obergrenze wirklich ein?

Und die Barzahlungsobergrenze? Diese ist mit 5.000 Euro objektiv gesehen so hoch angesetzt, dass auch sie im Alltag kaum jemanden betreffen wird. Was ist denn teurer? Autos, Luxusschmuck und Häuser. Und die werden – von reichen Russen und Pimp-Daddys einmal abgesehen – in der Regel unbar bezahlt. Ein Graubereich mögen sicherlich von Gebrauchtwagen sowie das teure Schmuckgeschenk für die Geliebte sein.

Insgesamt gilt aber: diese Obergrenze dürfte in 99,99% aller täglichen Geschäfte nicht ins Gewicht fallen. Sicher: auch sie wird Terroristen und organisiertes Verbrechen nicht bekämpfen, dafür aber Steuersündern und Sozialbetrügern das Leben schwerer machen. Was man auch nicht unter den Tisch kehren sollte ist, dass solche Obergrenzen in vielen Nachbarländern seit Jahren Praxis sind – auch dort wesentlich zur Bekämpfung von Korruption und Steuerhinterziehung.

Was von der Bargeld-Debatte bleibt

Bleibt noch „Wehret den Anfängen!“. Und an dieser Stelle stimme ich den kritischen Stimmen zu. Natürlich müssen wir als Bürger achtsam sein und bleiben. Wir müssten der Politik jeden Tag auf die Finger schauen und unsere Freiheitsrechte verteidigen, wenn diese von der Politik entscheidend eingeschränkt werden. Aber das werden sie mit den aktuell diskutierten Maßnahmen (noch) nicht. Vielmehr sind – wie oben ausgeführt – alle bisher debattierten Maßnahmen auf die eine oder andere Art sinnvoll und kaum einschränkend.

Dennoch gilt es halt, die weitere Entwicklung aufmerksam zu beobachten, damit es uns nicht so ergeht, wie dem berühmt-berüchtigten Frosch im Kochtopf. Eine zu geringe Barzahlungsobergrenze wäre ein Warnsignal, die Abschaffung von Banknoten unterhalb der 200-Euro-Note ebenso wie eine Abschaffung der Verpflichtung zur Bargeldannahme. Sein wir also wachsam und regen uns dann auf, wenn es wirklich angebracht ist.

Zum Schluss noch ein Wort zu Dostojewski: der schrieb eben nicht von „Bargeld“, sondern von „Geld“ allgemein als geprägter Freiheit. Wer seine Werke kennt, der weiß, dass es ihm im Zusammenhang mit Geld um die Freiheit ging, die man sich als reicher Mensch mit eben diesem Geld kaufen kann. Hätte es zu seiner Zeit schon Buchgeld und Kreditkarten gegeben, wäre es ihm wohl egal gewesen, ob er das Geld im Portemonnaie oder auf dem Bankkonto mittels Kreditkarte verfügbar gehabt hätte.

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