[Update 03.02.2021] Der deutsche Discount-Broker Trade Republic war in den letzten Monaten ein absoluter Liebling der Generation Z. Wie kaum ein anderes Fintech vermöchte das Berliner Startup, die derzeitige Börsenrallye in ein massives Kundenwachstum zu verwandeln. Doch in dieser Woche hat Trade Republic seine Kund:innen gleich auf zwei Arten spürbar verärgert. Während eine davon nur ärgerlich war, stellt die andere einen Sündenfall dar, der Kund:innen nachhaltig von Trade Republic entfremden könnte.
Wer an das Jahr 2020 zurück denkt, wird dank Corona in der Regel nur wenig gute Erinnerungen daran haben. Nicht so Trade Republic. Der Discount-Broker aus Berlin blickt zurück auf das erfolgreichste Jahr der noch jungen Firmengeschichte. Die Kollegen von finanz-szene.de berichten, dass Trade Republic mittlerweile mehr als 500.000 Kund:innen hat. Die meisten davon wurden erst im Boom-Jahr 2020 gewonnen.
Zu verdanken hat Trade Republic diese Erfolge einerseits der eigenen Leistung. Die App ist aufgeräumt und für die Zielgruppe aus der Generation Y intuitiv bedienbar. Zudem tritt das Fintech marketingtechnisch als Preisbrecher auf: kostenloses Depot und nur 1 Euro Orderprovision sowie kostenlose ETF-Sparpläne. Eine Mischung, die ganz offensichtlich für viele sehr attraktiv ist. Auch uns vermochte Trade Republic im Test grundsätzlich zu überzeugen.
Andererseits profitierten die Berliner stark vom derzeitigen Umfeld. Auf der einen Seite sind das die anhaltende Niedrig- bzw. Nullzinsphase, die Sparer:innen aus Tagesgeld und Sparbuch an die Wertpapiermärkte treibt. Auf der anderen Seite die Langeweile der Generation Y, die dank Corona-Lockdown kaum Freizeitbeschäftigungen hat und stattdessen den Nervenkitzel an der Börse sucht.
Trade Republic ist dem Ansturm nur bedingt gewachsen
Das massive Kundenwachstum ist einerseits eine tolle Bestätigung für das Geschäftsmodell und ein großer Erfolg für den Fintech-Standort Deutschland. Gleichzeitig zeigt sich aber auch, dass das Startup diesem Ansturm phasenweise kaum gewachsen ist. Bereits im Frühjahr 2020 berichteten unter anderem die Kollegen von FinanceFWD über lange Wartezeiten bei der Legitimation von Neukund:innen.
Nachdem Trade Republic diese Probleme im Laufe des Jahres 2020 offenbar wieder in den Griff bekommen hatte, musste das Startup Ende Januar 2021 erneut Probleme zugeben.

Hinzu kommen immer wieder Probleme in der Depotanzeige in der App. Gerade in Zeiten hoher Börsenaktivität zeigt sie in unregelmäßigen Abständen keine Kurse für einzelne Postitionen im Depot an. Da der Wert der Position dann mit 0 Euro angesetzt wird, zeigt sich im Performancechart des Depots dann ein vermeintlicher ‚Flash Crash‘. Immerhin: diese Fehler und Probleme sind sicherlich ärgerlich, aber verzeilich. Es entsteht jedenfalls kein tatsächlicher Schaden.
Trade Republic und der Sündenfall Gamestop
Ein ganz anderes Kaliber, dass man mit Fug und Recht als Sündenfall bezeichnen darf, leistet sich Trade Republic mit den Aktien u.a. von Gamestop. Der US-amerikanische Videospiele-Händler kämpft mit der digitalen Transformation seines überholten Geschäftsmodells. Entsprechend ist die Aktien ins Visier von Leerverkäufen durch verschiedene Hedgefonds geraten.
Junge Investor:innen aus der Generation Y haben das zum Anlass genommen, es der ungeliebten Wallstreet mal so richtig zu zeigen. Sie organisierten sich über die Reddit-Seite „Wallstreetbets“ und kauften die Aktie – besonders über den Neo-Broker Robin Hood, dem US-Vorbild von Trade Republic. Das Ziel: ein Short-Squeeze. Viele Kund:innen von Trade Republic und anderen Broker auch in Deutschland schlossen sich dem Hype an.
Mit Erfolg: der Aktienkurs schoss von 3 US-Dollar schnell in den dreistelligen Bereich. Short-Seller mussten die Aktie hektisch kaufen, um ihre Verluste zu begrenzen. Ein Teufelskreis, der die Aktie noch schneller steigen ließ. Und dann kam, was als Sündenfall von Trade Republic und Co. in die Geschichte eingehen wird: sie sperrten den Kauf der Gamestop-Aktie für ihre Kund:innen!

Am Donnerstag teilte Trade Republic seinen Kund:innen per Mail und in der App mit, dass Zukäufe der Aktien von Gamestop und anderen Unternehmen gesperrt wurden. Lediglich Verkäufe waren noch möglich. Ein solch eigenmächtiger Eingriff in das Marktgeschehen ist ohne Beispiel. Börsen können den Handel mit einer Aktie in Extremsituationen aussetzen, auch Aufsichtsbehörden können bestimmte Transaktionen unterbinden. Die BaFin als zuständige Aufsichtsbehörde für Trade Republic hatte aber nichts dergleichen veranlasst.
Im Gegenteil: bei der BaFin gingen anschließend viele Beschwerden von verärgerten Kund:innen ein. Die Aufsichtsbehörde sah sich daraufhin veranlasst, Trade Republic auf seine Pflichten hinzuweisen. Das Handelsblatt zitiert eine BaFin-Sprecherin mit diesen Worten:
„Wir haben Trade Republic mit Nachdruck darauf hingewiesen, die aufsichtsrechtlichen Anforderungen einzuhalten und Kunden sämtliche Dienstleistungen dem Aufsichtsrecht entsprechend und störungsfrei zur Verfügung zu stellen“
Bafin-Sprecherin zu Trade Republic (Quelle: Handelsblatt)
Neo-Broker spielen Hedgefonds in die Hände
Und so hob der Neo-Broker den Handelsstopp schon einen Tag später wieder auf. Mit dem zwischenzeitlichen Kaufstopp für die Gamestop-Aktie folgte Trade Republic seinem US-Vorbild Robin Hood. Das Fintech mit etwa 13 Millionen Kund:innen verhängte ebenfalls einen eigenmächtigen Kaufstopp für die Gamestop-Aktie. Das soll dem Broker laut Wirtschaftswoche eine Anhörung vor dem US-Kongress eingebrockt haben. Die t3n berichtet zudem von einer Überprüfung der Vorgänge durch die US-Börsenaufsicht SEC.
Robin Hood und Trade Republic müssen sich jetzt den Vorwurf gefallen lassen, mit ihrem Handeln den Hedgefonds in die Hände zu spielen. Denn da Anleger:innen die Aktie nur noch verkaufen, aber nicht mehr nachkaufen konnten, rutschte der Kurs massiv in den Keller. Um über 40% ging es zeitweise bergab. Das spielte den Leerverkäufern in die Hände, denn genau auf einen solchen Kursrutsch hatten sie ja spekuliert.
Das Nachsehen hatten plötzlich die eigenen Kund:innen der Neo-Broker, während die Hedgefonds-Manager die Sektkorken knallen ließen. Inwiefern das mit den Treuepflichten der Broker gegenüber ihren Kund:innen vereinbar war, dürfte für Diskussionsstoff sorgen. Alljene, die bisher auf Trade Republic gesetzt haben, werden ihr Verhältnis zum Berliner Fintech zumindest überdenken.
Spekulationen über die Beweggründe von Trade Republic und Robin Hood
Was die beiden prominenten Neo-Broker dazu bewogen hat, dieses massive Reputationsrisiko einzugehen, darf spekuliert werden. Zunächst einmal ist die offizielle Begründung mit der Überlastung der eigenen Handelssysteme nicht ganz von der Hand zu weisen. Zwar sprechen beide Fintechs mit ihrem Angebot eigentlich gezielt aktive Trader:innen an. Das ist immer wieder das Thema in den verschiedenen Werbevideos von Trade Republic in den sozialen Medien.
Auf ein derart massives Handelsaufkommen wie mit den Aktien von Gamestop, Nokia und Blackberry waren Trade Republic und Co. allerdings offensichtlich nicht vorbereitet. Entsprechend war die Performance der App für alle Nutzer:innen in den letzten Tagen immer wieder beeinträchtigt. Einige Hype-Aktien für Transaktionen zu sperren, um das Gesamtsystem für die übrige Kundschaft zu stabilieren, klingt vor diesem Hintergrund deshalb gar nicht so abwegig.
Andere Stimmen vermuten die wahren Gründe dagegen eher beim einzigen Handelspartner von Trade Republic, der Düsseldorfer Lang & Schwarz GmbH. Deren Marktplatz LS Exchange hatte Berichten zu Folge am Donnerstag mit massiven technischen Problemen zu kämpfen. Dadurch konnten Limit-Orders nicht zuverlässig ausgeführt werden. Als Reaktion darauf hatte Trade Republic seine Nutzer:innen zeitweise auf die Handelsplattform Tradegate verwiesen.
Auch Blackrock & Co. unter Verdacht
Zu diesen offensichtlichen Begründungen, gesellen sich im Netz allerdings auch weniger angenehme Spekulationen. Und die drehen sich um die mächtigen Geschäftspartner von Trade Republic und Robin Hood: die großen Vermögensverwalter wie Blackrock und Co. Denn die haben im Hintergrund an vielen Stellen ihre Finger in diesem Spiel.
Als führende Anbieter von Indexfonds besitzen sie Anteile an so ziemlich jedem börsennotierten Unternehmen auf der Welt. So auch an Gamestop. Wie Der Aktionär berichtet, besitzt allein Blackrock in seinen Fonds knapp 1/8 aller Gamestop-Aktien. Um die Performance ihrer Fonds gegenüber dem Vergleichsindex trotz ihrer Verwaltungsgebühren gut dastehen zu lassen, setzen Blackrock und Co. gern darauf, die im Fonds gehaltenen Aktien gegen eine Leihgebühr an Hedgefonds zu verleihen.
Die Hedgefonds verkaufen die Aktien dann massiv an der Börse, um deren Kurs in den Keller zu schicken. Wenn ihnen das gelungen ist, kaufen sie die Aktien zu einen niedrigen Kurs auf und geben sie an die Fondsverwalter zurück. Die Differenz zwischen Verkaufspreis auf der einen Seite und Kaufpreis plus Leihgebühr auf der anderen ist ihr Gewinn.
Für beide Seiten ist das ein gutes Geschäft. Der Hedgefonds macht einen guten Schnitt und Blackrock holt für die verwalteten Fonds eine sichere Leihgebühr. Sie sorgt dafür, dass die Verwaltungsgebühr ausgeglichen wird und der Fonds eine Performance auf Augenhöhe mit dem Index erreicht. Verlierer sind die Eigetümer:innen der Fondsanteile, denn die im Fonds enthaltene Aktien hat massiv an Wert verloren.
Blackrocks Einfluss ist groß
Blackrock können diese Kursverluste egal sein. Denn wenn die Aktien im Fonds an Wert verlieren, sinkt auch der Wert des Vergleichsindex. Und Blackrock muss bei einem Indexfonds ja lediglich sicherstellen, dass die Entwicklung dieses Index möglichst genau nachvollzogen wird. Nicht mehr und nicht weniger.
Für Blackrock gibt es eigentlich nur ein Risiko: wenn sich der ausleihende Hedgefonds so sehr verhebt, dass er nicht genügend Geld hat, die leerverkauften Aktien in ausreichender Zahl am Markt zu kaufen und anschließend wieder an Blackrock zurückgeben zu können. Und dieses Risiko war im Fall Gamestop sehr real. Obwohl die Kursrallye durch die Aktionen von Robin Hood und Trade Republic kurzzeitig gestoppt wurde, musste der Hedgefonds Melvin Capital mit etwa 2,75 Milliarden (!) US-Dollar von anderen Fonds vor der Pleite gerettet werden.
Insofern erscheint es zumindest nicht abwegig, dass Blackrock ein großes Interesse daran gehabt haben muss, die Situation zu beruhigen. Auch wenn es dafür keine Beweise gibt: Druck auf Trade Republic auszuüben, wäre für den Fondsanbieter sicherlich kein großes Problem. Immerhin ist Blackrock der exklusive Partner für ETFs. Kund:innen können über Trade Republic ausschließlich Fonds der Marke iShares kaufen – aufgelegt von Blackrock.

Diese Exklusivität wird sich Trade Republic überlicherweise mit auskömmlichen Provisionen und Signing Fees vergolden lassen. Das ist einerseits gut für die Profitabilität des jungen Fintechs, bedeutet aber andererseits gleichzeitig eine hohe Abhängigkeit vom übermächtigen Geschäftspartner. Eine Tatsache, die in vielen Internet-Foren und den sozialen Medien Stoff für Spekulationen bietet.
Trade Republic, Gamestop und was nun?
Was auch immer die Gründe von Trade Republic waren, die Gamestop-Aktie zeitweise vom Handel auszunehmen: der Imageschaden ist da. Wie groß er ist und wie nachhaltig er dem Fintech anhaften wird, steht noch in den Sternen. Auf jeden Fall sollten die Ereignisse der letzten Tage Anlass genug sein, sich stärker mit den Schattenseiten auseinanderzusetzen. Und vielleicht einen Blick auf die Konkurrenz zu werfen.
Einer davon könnte das ebenfalls auf Berlin stammende Fintech Smartbroker sein. Es setzt zwar auf ein vergleichbaren Geschäftsmodell wie Trade Republic, hat seinen Kund:innen aber durchgängig den Handel mit Gamestop-Aktien ermöglicht.
[Update 01.02.2021] Kunden lassen Ihren Frust raus
Zumindest aktuell lassen viele enttäusche Kunden ihrem Unmut freien Lauf. Das zeigt sich beispielsweise an der Bewertung im Google PlayStore. Dort ist die Bewertung der Trade Republic-App auf einen Wert von gerade einmal noch 1,4 Sterne abgesackt. Besser sieht es derzeit im Appstore von Apple aus, von die App immerhin noch mit 3,7 Sternen bewertet wird. Allerdings ist auch hier die Tendenz stark fallend. Seit einigen Tagen hagelt es ausschließlich 1- und 2-Sterne-Bewertungen.

Auch auf Bewertungsportalen wie beispielsweise Finanztip.de hagelt es negative Bewertungen. Gerade einmal noch 36% der Bewertungen sind dort positiv, ganze 59% negativ. Auf potentielle Neukund:innen könnten die derzeitigen Bewertungen massiv abschrecken wirken.
[Update 03.02.2021] Trade Republic erklärt sich zum Fall Gamestop
Am heutigen Mittwoch ist Trade Republic nun endlich in einer E-Mail an seine Kund:innen herangetreten und hat sich entschuldigt. Die Schuld an den Ereignissen wird in den anschließenden FAQs auf einen Dienstleister des Handelspartners Lang & Schwarz Exchange (LSX) geschoben. Man selbst habe dann lediglich schlecht kommuniziert.
Die Spekulationen rund um die Einflussnahme durch Hedgefonds oder um Aktienleihen weist Trade Republic von sich, wobei die Antworten durchaus für spitzfindige und fachkundige Leser:innen durchaus Deutungsspielraum zulassen. Immerhin weist das Fintech diese Vorwürfe explizit nur für sich selbst ab – nicht aber für die beiden dominanten Partner Lang & Schwarz bzw. Blackrock.
Immerhin trotzdem ein erster wichtiger Schritt, um verloren gegangenes Vertrauen wieder herzustellen.
Fazit: Trade Republic wird in den kommenden Wochen und Monaten jedenfalls unter kritischer Beobachtung in der Branche stehen. Die Zeit wird zeigen, ob der Fall Gamestop nur ein Sturm im Wasserglas war oder ob der Hype um den erfolgreichen Neo-Broker dadurch nachhaltig Schaden nimmt.