Das Bild zeigt die Einleitung der Entschuldigungsmail von Trade Republic

Trade Republic entschuldigt sich nach Shitstorm

In den letzten Tagen fegte ein schwerer Shitstorm über den bislang erfolgsverwöhnten Neo-Broker Trade Republic hinweg. Auslöser dafür waren die Turbulenzen rund um die Aktie von Gamestop. Trade Republic hatte seine Kunden Ende letzter Woche eigenmächtig vom Kauf dieser Aktie ausgeschlossen. Ein einmaliger Vorgang.

Nachdem sich der Neo-Broker Trade Republic in der letzten Woche einen schweren Ausrutscher geleistet hatte (hier erfahrt Ihr mehr über die Hintergründe), sah sich das Fintech schwerer medialer Kritik ausgesetzt. In einer Mail wendeten sich die Gründer des Berliner Startups an ihre Kund:innen. Zunächst mit einer persönlichen Entschuldigung.

Hier der genaue Wortlaut:

HALLO Tobias,

hinter uns liegt eine besondere Woche, in der sich eine beispiellose Situation um Aktien, wie GameStop oder AMC ergeben hat.

Falls Du vom Kauf-Stop dieser Aktien betroffen warst, wollen wir uns persönlich bei Dir entschuldigen. Hier haben wir keinen guten Job gemacht. Unten erklären wir Dir die Gründe für unser Handeln. Wir geben Antworten auf viele Fragen, die Ihr an uns gestellt habt.

Manche von Euch haben wir vor den Kopf gestoßen. Es waren schwierige Entscheidungen in einem besonderen Markt. Am Ende haben wir unser Handeln nicht gut erklärt. Wir haben es nicht auf den Punkt gebracht. In den vergangenen Tagen haben sich viele von Euch mit Kritik oder Verständnis an uns gewendet. Danke!

Wir haben die Erwartungen an einen modernen, demokratischen und freien Broker enttäuscht. Wir werden hart daran arbeiten, besser zu werden. Dabei wollen wir offen, transparent und nachvollziehbar agieren. Nicht drumherum, sondern auf den Punkt.

Wir haben Trade Republic vor fünf Jahren gegründet, um eine bessere Bank zu sein. Wir freuen uns, dass Du Teil von Trade Republic bist. Ein Teil davon, dass Menschen in ganz Europa einen einfachen, sicheren und provisionsfreien Zugang zum Kapitalmarkt haben.

Vielen Dank!

Christian, Thomas & Marco
Gründer von Trade Republic
Mail vom 03.02.2021 an alle Kund:innen

Was dann folgt, ist eine ausführliche FAQ-Liste, mit denen das Berliner Fintech Licht ins Dunkel hinter den Ereignissen bringt. In den grauen Kästen findet Ihr den Originalwortlaut aus der Mail vom 03.02.2021. Dazwischen könnt Ihr meine Anmerkungen dazu lesen.

Die Schuld an den zwischenzeitlichen Beschränkungen wird dabei auf einen Dienstleister des Handelspartner Lang & Schwarz Exchange (LSX) geschoben:

Warum hat Trade Republic am Donnerstag keine Kauf-Orders für Titel wie GameStop oder AMC ausgeführt?
Wir haben die letzte Woche mit neuen Höchstwerten in Transaktionen und aktiven Kunden ohne Probleme begonnen. Am Donnerstag kurz nach 7.30 Uhr ist unser Handelsplatz Lang & Schwarz Exchange (LSX) in wesentlichen Teilen ausgefallen. Hintergrund waren Überlastungen von Datenbanken eines Dienstleisters der LSX. Wir sind daraufhin auf den Ausweichhandelsplatz Tradegate Exchange gewechselt. Nach einigen Stunden führte der beispiellose Anstieg von Ordern in Werten wie GameStop oder AMC zu Verzögerungen in der Ausführung der Order. Um die Kapazitäten zu erhöhen, musste der gesamte Aktienhandel vorübergehend unterbrochen werden.

Am Nachmittag begann der Handel wieder. Daraufhin kam es nochmals zu einer starken Belastung der Systeme mit mehreren tausend Ordern pro Minute. Um weitere Ausfälle zu verhindern, haben wir uns dazu entschlossen, nach XETRA-Schluss um 17.30 Uhr keine weiteren Kauf-Orders für sechs Titel, u.a. GameStop und AMC, anzunehmen. Wir haben diese Entscheidung getroffen, um den Betrieb für unsere Kunden sicherzustellen. Es gab Bedenken, dass es im Zuge der besonders hohen Volatilität rasche Einbrüche der Kurse von Titeln wie GameStop oder AMC hätte geben können. In diesem Fall hätten technische Verzögerungen dazu geführt, dass es möglicherweise zu starken Verlusten gekommen wäre. Darauf haben wir uns mit den „Risiken für Dich“ in der Mitteilung bezogen.

Was folgt ist eine Erklärung dafür, dass die sechs betroffenen Aktien nur von Käufen, nicht aber von Verkäufen ausgeschlossen wurden.

Warum hat Trade Republic nur Kauf-Orders aber keine Verkäufe der sechs Titel geblockt?
Im Wesentlichen haben die Anzahl der Orders von sechs Titeln die Systeme überlastet. Allerdings wollten wir Verkäufe weiterhin ermöglichen. Es war uns wichtig, Kunden, welche diese sehr volatilen Aktien hielten, die Möglichkeit zu geben, die Aktien zu verkaufen, um Gewinne mitzunehmen oder Verluste zu begrenzen.

Die Erklärung vermag allerdings nur bedingt zu überzeugen. Denn erst der Kaufstopp hat ja das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage gekippt und für einen zeitweise massiven Kursverlust gesorgt. Konsequent wäre es also nur gewesen, wenn die Aktien komplett vom Handel ausgenommen worden wären.

Und es stellt sich die Frage: wie (genauer: an wen) konnten die Kund:innen denn eigentlich die Gamestop-Aktien verkaufen? Jedenfalls nicht an andere Nutzer:innen von Trade Republic. Vermutlich dann doch nur an die Leerverkäufer, die davon massiv profitiert haben.

Warum konnte die Begrenzung des Handels am Freitag wieder aufgehoben werden?
Über Nacht hat unser Team die Ressourcen massiv skaliert. Entsprechende Tests haben gezeigt, dass die Systeme auch bei erheblicher Orderlast stabil bleiben. Daraufhin haben wir beschlossen, den Handel gleich am Freitagmorgen vor Marktstart um 7.30 Uhr vollumfänglich aufzunehmen. Der Freitag verlief wiederum mit Höchstwerten, dabei ruhig und ohne Probleme.

Inwiefern das eigene Team hier bravourös „Ressourcen massiv skalieren“ konnte, erschließt sich einem nicht sofort. Wenn das Problem bei einem Dienstleister von LSX lag und nicht am eigenen System, hätte doch der Dienstleister reagieren und nachbessern müssen?!

Warum sagt ihr in der ersten Mitteilung, dass ihr den Kunden vor Risiken schützen wollt?
Trade Republic steht für den freien Zugang zum Kapitalmarkt und bietet verschiedene Anlageklassen an. Dabei wollen wir unseren Nutzern nicht vorschreiben, wo und wie sie investieren. Die erste Mitteilung an unsere Kunden war nicht gut. Wir haben nicht genug getrennt zwischen Erklärung (technische Risiken) und Aufklärung (Risiken bei volatilen Aktien). Bei Trade Republic legen viele Menschen das erste Mal ihr Geld in Aktien an. Aufgrund der einmaligen Ereignisse an den Märkten wollten wir klarstellen, welche Risiken es für Kunden gibt, die in hoch volatile Aktien investieren. Die App wird künftig um weitere entsprechende Risikohinweise erweitert.

Hier also gesteht Trade Republic eigene Fehler ein – wenn auch nur in der Kommunikation. Das der Broker seine Kunden in Werbevideos tendenziell eher zum aktiven Traden animiert, bleibt unerwähnt. Bleibt zu hoffen, dass Trade Republic nicht nur in dieser einen Mitteilung seiner Verantwortung gerecht wird.

Wurde die Wiederaufnahme des Handels durch die BaFin angeordnet?
Nein. Trade Republic steht in einem ständigen Austausch mit der BaFin. Über die oben genannten Schritte hat Trade Republic die BaFin in Kenntnis gesetzt. Die Entscheidung der Wiederaufnahme des Handels wurde von Trade Republic unabhängig getroffen. Im Anschluss an Störungen und Ausfälle berichtet Trade Republic weiter an die Aufsicht und stellt den Sachverhalt umfassend dar. Anders als in den Medien behauptet wurde die Trade Republic am Donnerstag von der BaFin nicht wegen Verstoßes aufsichtsrechtlicher Vorgaben ermahnt.

Böse Zungen würden hier jetzt anmerken, dass die BaFin ohnehin nicht zu den Behörden zählt, die schnell auf Missstände an den Kapitalmärkten reagieren – siehe Wirecard.

Kann so etwas nochmals vorkommen?
Unsere Systeme haben der Maximallast des Handels am vergangenen Montag, Dienstag und Mittwoch sowie Freitag problemlos standgehalten. Ohne den technischen Fehler des Dienstleisters bei der Börse Lang & Schwarz Exchange wäre der Donnerstag ebenfalls ein ruhiger, normaler Tag gewesen. Wir haben daraufhin die Kapazitäten und Lasttest nochmals stark erhöht. Gleichzeitig investieren wir massiv in die technische Infrastruktur und die Verbesserung des Angebots.

Das ist beruhigend, sollte aber auch der Standard sein für einen Broker. Immerhin war bei den etablierten Banken und Brokern der Handel mit den betroffenen Aktiuen jederzeit möglich.

Hat Trade Republic auf den Druck von Dritten reagiert? Hat Trade Republic Beziehungen zu Hedge Funds?
Nein. Trade Republic hatte nie und hat keinerlei Beziehungen zu Hedge Funds oder ähnlichen Marktteilnehmern. Wir arbeiten nicht mit Hedge Funds zusammen. Die Entscheidung wurde von Trade Republic unabhängig und zur Systemstabilisierung getroffen.

Spitzfindig gelesen beantwortet Trade Republic die erste der beiden Fragen nur ungenau und geht lieber direkt auf die zweite Frage über. Nun ist es schön, dass Trade Republic offenbar keine direkten Beziehungen zu Hedge Funds unterhält. Aber wie steht es mit den direkten Partnern Lang & Schwarz Exchange und Blackrock?

Hat Trade Republic auf Druck von Clearingstellen reagiert? Gab es hier Liquiditätsengpässe?
Nein. Trade Republic wickelt die Transaktionen mit HSBC – einem der größten Wertpapierabwickler der Welt – ab. Es gab in keinster Weise Limitationen beim Clearing und Settlement. Trade Republic muss keine Liquidität für das Clearing vorhalten.

Hier referenziert Trade Republic auf die Berichte über das US-Vorbild Robin Hood. Dieser musste mehrere Milliarden US-Dollar in kürzester Zeit an Sicherheiten aufbringen, um den Handel fortsetzen zu können. Beim Berliner Startup war das offenbar nicht der Fall.

Verkauft Trade Republic Daten an Hedge Funds damit diese dagegen handeln können, um Geld zu verdienen (“Frontrunning”)?
Nein. Trade Republic wickelt seine Geschäfte über die Börse Hamburg ab. Diese wird durch eine vom Hamburger Senat eingesetzte Handelsüberwachung kontrolliert. Trade Republic verkauft keine Daten an Dritte. Der Handel findet zu Referenzmarktpreisen, bspw. XETRA statt. Anders als in den Medien behauptet, ist das Geschäftsmodell von Trade Republic nicht mit dem von Robinhood zu vergleichen.

Das klingt erst einmal beruhigend, spitzfindig müsste man hier aber noch einmal nachhaken. Spricht Trade Republic hier nur für sich selbst oder auch für seine Partner? Denn würde einer der Partner die Informationen weiterverkaufen und Trade Republic im Gegenzug incentivieren, wäre die Aussage zugleich richtig, aber auch irreführend. Hier wäre ein bisschen mehr Klarheit seitens Trade Republic wünschenswert.

Verleiht Trade Republic meine Wertpapiere?
Nein. Trade Republic verleiht niemals Wertpapiere.

Hier gilt dasselbe wie für die vorherige Frage. Trade Republic selbst mag keine Wertpapiere verleihen, aber wie sieht es mit dem großen ETF-Partner Blackrock aus? Auch hierauf gibt es keine klare Antwort.

Fazit:
Trade Republic ist mit dieser Mail endlich aktiv auf seine Kund:innen zugegangen, um Licht ins Dunkel zu bringen. Das ist auf jeden Fall schon einmal löblich. Die FAQs lassen für spitzfindige Leser:innen allerdings noch ausreichend Raum für Interpretationen. Hier hätte der Neo-Broker mit wenigen Worten für noch mehr Klarheit sorgen können.

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