Dreist oder einfach unfähig? Verwirrung um Savedroid

Das Frankfurter Vorzeige-Fintech Savedroid sorgt aktuell für reichlich Wirbel. Vor Kurzem hatte es im Rahmen eines großen ICOs einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag eingenommen. Heute ist die Homepage des Startups plötzlich leer und der Twitter-Account von Gründer Yassin Hankir legt den Verdacht nahe, er habe sich abgesetzt. Noch ist unklar, ob es sich um eine dreisten Betrug, einen PR-Stunt oder um einen Hackerangriff und verdammt schlechtes Krisenmanagement handelt. Aber eins steht fest: Savedroid hat der noch jungen Fintech-Branche einen Bärendienst erwiesen.

So schnell kann es gehen: noch vor ein paar Monaten hatte ich in meinem Blog einen Artikel über den großen ICO des Frankfurter Fintechs Savedroid geschrieben. Damals sah noch alles nach einer deutschen Erfolgsgeschichte aus. Bereits seit 2016 aktiv am Markt konnte das Startup nach eigenen Angaben über 200.000 Downloads seiner App verzeichnen. Die App hilft dem Nutzer mit einfachen Wenn-Dann-Regeln (sogenannten „Smooves“), Geld für vorher definierte Sparziele anzusparen. Das funktionierte gut, ich selber habe über die Jahre mehrere Tausend Euro auf diese Weise angespart.

Der in diesem Jahr vollzogene ICO („Initial Coin Offering“) sollte Savedroid dann in neue Dimensionen hieven. Im Rahmen des Token Sales konnte das Startup geschätzte 40 Millionen Euro einnehmen, mit denen laut Whitepaper die technischen Voraussetzungen entwickelt werden sollten, regelmäßig und einfach in Kryptowährungen zu sparen. Dabei sollte der Einsatz von KI helfen, immer in die richtigen Kryptowährungen zu investieren. Soweit die Theorie.

In der Praxis gab es bereits im Rahmen des Token Sales immer wieder Beschwerden. Zuerst wurden im Sale Käufe als fehlgeschlagen quittiert, die dann nachher doch erfolgreich waren – zahlreiche Doppelkäufe waren die Folge. Zudem gab es immer wieder Beschwerden, dass die erworbenen Token auch nach Wochen nicht auf den entsprechenden Krypto-Wallets der User gutgeschrieben wurden. Und nicht zuletzt schien der Token Sale die volle Aufmerksamkeit des Teams zu binden – zu Lasten der Pflege und Wartung der bestehenden App.

Plötzlich war alles weg …

Am Mittwoch nun der große Knall: die Unternehmens-Homepage ist offline und lediglich ein Meme aus der us-amerikanischen Comic-Serie „Southpark“ ist zu sehen. Es referenziert ausgerechnet auf eine Folge der Serie, in der es darum geht, wie Banken das Geld ihrer Kunden vernichten. Zitat: „Aaaand it’s gone“ – zu Deutsch: „Uuunnd weg ist es.“

Screenshot Savedroid-Homepage Screenshot der Savedroid-Homepage vom 18.04.2018 (Quelle: Screenshot)

Der Twitter-Account von CEO und Gründer Yassin Hankir zeigt zudem einen aktuellen Tweet mit Bilder, die ihn am Flughafen zeigen und eine Person mit Bier in der Hand an einem Strand. Das Statement legt nahe, dass er sich aus dem Staub gemacht hat. Pressevertreter versuchen vergeblich, Statements des Unternehmens zu bekommen und auch Investoren zeigen sich irritiert.

Twitter-Account Yassin HankirScreenshot vom Twitter-Acount von Yassin Hankir vom 18.04.2018 (Quelle: Screenshot)

Während ich diesen Artikel verfasse, ist völlig unklar, was passiert ist. Die Gerüchteküche brodelt wild. Handelt es sich tatsächlich um den größten Betrugsfall in der deutschen Fintech-Geschichte? Wurde das Startup Opfer eines breit angelegten Hacks? Oder handelt es sich um einen irren PR-Stunt, um maximale Aufmerksamkeit zu erlangen?

Das Vertrauen ist dahin …

Das Traurige dabei ist: letztlich ist es (fast) völlig egal, denn Savedroid ist damit tot! Mausetot. Wenn es um Finanzen geht, zählen nur drei Dinge: Vertrauen, Vertrauen und nochmal Vertrauen. Und das hat Savedroid in jedem Fall komplett verspielt. Im Betrugsfall ist das offensichtlich und dann ist das Geld der Token-Käufer wohl längst über alle Berge. Aber auch, wenn das Startup „nur“ gehackt wurde, wäre das Krisenmanagement und die Kommunikation eine Katastrophe. Und ist es ein PR-Stunt muss man klar festhalten: so etwas wäre die maximale Anti-Werbung, wenn es um Vertrauen geht.

Und das ist die schlechte Nachricht für die Token-Käufer: selbst wenn es kein Betrug sein sollte und die Token nicht verloren sind, dürfte das Investment verloren sein. Denn wer bitteschön kauft auf dem Zweitmarkt Token einer Firma, der kein Kunde mehr vertraut? Richtig: niemand. Und damit sind die Token auch so wertlos. So weit, so schlecht. Aber damit ist es nicht zu Ende.

… und der Flurschaden für die ganze Fintech-Szene ist da

Denn Savedroid hat nicht nur selbst alles Vertrauen verspielt, sondern zugleich der gesamten deutschen Fintech-Szene einen Bärendienst erwiesen. Savedroid war regelmäßig mit positiven Artikeln in der FAZ vertreten, hatte im Advisory Board seines ICOs prominente Branchen-Größen wie Jochen Siegert und Kilian Thalhammer. Wenn schon ein vermeintlich seriöses und etabliertes Fintech – an dem sogar staatliche Förderstellen beteiligt sind – so endet, wie kann man dann anderen unbekannteren Fintechs vertrauen? Savedroid könnte damit der „Schwarze Schwan“ für die bisher erfolgsverwöhnte Fintech-Branche sein.

Und nicht nur das: die aktuelle Entwicklung bei Savedroid wirft ein sehr schlechtes Licht auf das Instrument ICO. Der deutsche Anleger ist extrem misstrauisch und vorsichtig. Die Gefahr ist groß, dass Savedroid für die hiesige ICO-Szene das wird, was die T-Akte zur Jahrtausendwende für die deutsche Aktienkultur war. Immerhin: wenn es noch eines Anlasses bedarf hatte, die Regulierer auf den Plan zu rufen, so ist er nun da. Konnte bisher jeder Anleger in ICOs investieren, könnte es hier nun zu massiven Einschnitten kommen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Aufseher das Instrument zumindest für Privatanleger sperren.

In meiner aktuellen Kolumne im finletter hatte ich beklagt, dass die Fintech-Branche zuletzt langweilig geworden sei. Jetzt wünschte ich mir, es wäre so geblieben. Denn auf solche Aufregung, hätte ich dann doch gern verzichtet.

Dieser Artikel erschien zuerst im IT-Finanzmagazin:

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Update 19.04.2018

Mittlerweile hat sich das Ganze als ein großer PR-Stunt herausgestellt. In einem persönlichen Video wendet sich CEO Yassin Hankir an Kunden und Investoren und erklärt die Aktion. Aussagegemäß wollte man der Community vor Augen führen, dass es auch in der deutschen Fintech-Szene zu Scams kommen kann. Im gleichen Atemzug fordert Hankir eine stärkere Regulierung und bietet der Aufsicht gleich mit an, daran mitzuwirken.

Passenderweise verkündet er dann, dass Savedroid künftig einen neuen Geschäftszweig zur ICO-Beratung eröffnen wird. Hier will man Startups dabei beraten, einen guten ICO durchzuführen. Daher weht der Wind also: bisherige Kunden und ICO-Investoren müssen für eine PR-Aktion herhalten, mit der Savedroid für das neue Geschäftssegment werben will. Kann man so machen, sollte man aber nicht.

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